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chen werden. An den äußeren Mängeln hat sich nur seichte Kritik gestoßen. Denn,
daß ein so riesenhaftes Werk nicht auf einen Wurf gelingen konnte, ist offenbar
1
.
γ
.
Gotteslehre
Hegel wurde oft und wird heute noch als Pantheist verschrien.
Es steht aber außer Zweifel, daß er selbst Gott als Persönlichkeit,
also theistisch, faßte. Gegen Spinoza sagt er in der „Phänomeno-
logie“:
/
„Es kommt... alles darauf an, das Wahre nicht [wie es Spinoza tat] als
[bloße] Substanz [dann wäre es unpersönlich], sondern ebensosehr als Sub-
jekt [Persönlichkeit] aufzufassen..“ U n d Gott ist „ ... auch zugleich die
absolute Person.“
2
Und wenn Hegel die Tatsache, daß der Mensch sich innerlichst zum Denken
und Erleben Gottes erhebt, auch so ausdrückt, „daß Gott sich im Menschen
wisse“, so sollte das nur auf die Einheit hindeuten, die zwischen Gott und dem
Menschen auch von seiten Gottes besteht — wie alle großen Mystiker behaupteten!
Es ist also der Vorwurf, Hegels Weltgrund — auch „absolute
Idee“, „Absolutes“, „Vernunft“, „Geist“ oder „Begriff“ genannt —
sei ein U n p e r s ö n l i c h - A l l g e m e i n e s , Hegel kenne
keinen persönlichen Gott, seine Lehre sei pantheistisch, in Wahrheit
nicht begründet. Auch die Kennzeichnung Gottes als das „Denken
des Denkens“, mit welchem Hegels System endet
3
, schließt das Un-
persönlich-Allgemeine aus. Sich selbst zu denken, bedeutet ja not-
wendig schon Persönlichkeit.
Andererseits ist zuzugeben, daß Hegels Begriff des Absoluten oder
Gottes unklar bleibt, und zwar nicht nur formal, sondern auch in
der Stellung des Systems. In diesem hat es nämlich den Anschein, als
wären die dialektischen Schritte, nach denen sich der Aufbau der
Welt bestimmt, S e l b s t v e r w i r k l i c h u n g e n d e s A b -
s o l u t e n , sozusagen Aufspaltungen desselben — Ausdrücke, die
allerdings nicht von Hegel stammen. Nimmt man das wörtlich,
dann wäre es klassischer Pantheismus: Gott verwirklichte sich erst
in der Welt; er ginge in der Welt unter, in die er sich aufspaltete,
zerteilte.
1
Weitere Kritik der Kategorien siehe unten S. 298 f.
2
Hegel: Phänomenologie des Geistes, Sämtliche Werke, Bd 2, Berlin 1832,
S. 14. — Vgl. auch Sämtliche Werke, Bd 1, S. 395; Bd 3, S. 42; Bd 6, S. 409;
Bd 8, S. 339; Bd 11, S. 13; Bd 17, S. 167 und öfter.
3
Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,
in 2. Aufl. neu herausgegeben von Georg Lasson, Leipzig 1920, § 577 (= Philo-
sophische Bibliothek, Bd 33).