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Die Schuld liegt, mit einem Worte, an dem dialektischen Ver-
fahren. Dieses ist allerdings darin groß, daß es V e r m i t t l u n -
g e n zwischen Gott und Welt, Idee und Wirklichkeit, Schaffendem
und Geschaffenem aufzuzeigen sucht; und ferner ableitend wie ent-
werfend (deduktiv wie konstruktiv) vorgeht. Aber eine Anwendung
auf empirischem Felde verbieten seine grundsätzlichen Mängel.
Diese erblicken wir: (1) In dem f ä l s c h l i c h N a c h t r ä g l i -
c h e n der „Synthesis“ (die dem Wesen nach in Wahrheit voran-
geht: das Ganze ist vor dem Gliede!); (2) in dem Widerspruchsvol-
len des a u s s c h l i e ß e n d e n Gegensatzes der dialektischen
Glieder; in der fälschlich e i n d e u t i g e n Art der Konstruktion,
die zuletzt zu einer ähnlichen N o t w e n d i g k e i t führt wie der
kausalmechanische Ablauf und damit gewissermaßen wieder im Na-
turalismus endet
1
.
Die Grundlage eines so übergewaltigen Unternehmens, wie es sich
Hegel vorsetzte, die göttliche und irdische Welt in ihren Grundzü-
gen ableitend zu entwerfen, war nicht tief genug! Aus einer so ein-
fachen Seins-Logik der Gegensätze, wie sie die Dialektik schon seit
Kant und Fichte mit sich führte, aus einer so schematischen „Unruhe
des Seins“, / wie sie Hegels dialektische „Selbstbewegung des Be-
griffes“ aufbringt, kann die unendlich reiche Welt und ihre ab-
gründige Geschichte unmöglich erklärt werden. Und weiter: In einer
nur aus Gegensatzüberhöhungen sich erbauenden Welt fehlt die
L i e b e
2
. Ferner, in dieser Welt fehlt jenes übermächtige I r r a -
t i o n a l e u n d B ö s e , das wir in Geist, Leben und Geschichte, ja
sogar in der Natur überall am Werke finden. Hegels berühmtes
Wort: „Was v e r n ü n f t i g i s t , d a s i s t w i r k l i c h u n d
w a s w i r k l i c h i s t , d a s i s t v e r n ü n f t i g “
3
trifft ins
Herz, soferne es das Geistige als letzten Grund der Welt und der Ge-
schichte bezeichnet und sich gegen die mechanistische Weltansicht
richtet
4
; aber den Einwand: daß auch Widervernünftiges in der
Welt sei, welches mehr ist als dialektischer Widerspruch, kann Hegel
1
Die Begründung dafür siehe unten S. 296 ff.
2
Wie anders Meister Eckehart: „Gott liebt sich in den Kreaturen“, siehe
unten S. 377 f.
3
Hegel: Rechtsphilosophie, Vorwort, in: Hegels Schriften zur Gesellschafts-
philosophie, herausgegeben von Alfred Baeumler, Teil 1: Die Philosophie des Gei-
stes und die Rechtsphilosophie, Jena 1927 (= Die Herdflamme, Bd 11).
4
Vgl. mein Buch: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934, S. 208 ff.