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7.
R ü c k b l i c k a u f d e n n a c h k a n t i s c h e n
d e u t s c h e n I d e a l i s m u s
Der deutsche Idealismus erscheint in seiner gewaltigen Größe erst,
wenn man durch die Unterschiede hindurch seine wahre Einheit
erkennt. Diese Einheit ist keine nur halb erfüllte Forderung,
sondern beweist sich in den tragenden Lehrbegriffen aufs bestimm-
teste. Da wir diese so ausführlich betrachteten, wird jetzt eine ein-
fache Aufzählung mit einigen Hinweisen alles Nötige sagen.
Gemeinsam ist den Lehrgebäuden Fichtes, Schellings, Hegels, zum
Teil auch Baaders und vieler Spätidealisten, wie Christian Hermann
Weiße, Ulrich Wirth, Ignaz Paul Troxler, Jacob Sengler, der jün-
gere Fichte und anderen mehr:
a.
Der Selbstsetzungsgedanke. Dieser kommt als Spontaneität
schon bei Kant vor (als Selbstbewegung bei Platon, Aristoteles und
den Mystikern), und wird von Schelling, Hegel, Baader übernom-
men. Die zum Teil subjektive Form der ersten Fichteschen Lehre
wird bald überwunden.
b.
Das ableitend-entwerfende Verfahren. Sein Schöpfer ist Fichte,
Schelling übernimmt und erweitert es, ähnlich später Hegel. Denn
Fichte leitet die innere (zeitlose) Geschichte des Bewußtseins, Schel-
ling nicht nur dieses, sondern auch die Natur ab, Hegel fügt dazu
die Ableitung der gesamten objektiven Geisteswelt (während seine
Phänomenologie nur eine Verbesserung des Fichteschen Versuches
ist) und fügt weiter hinzu die Ableitung der Setzungsschritte des ab-
soluten Seins, welches begrifflich vor dem Auseinandergehen in Na-
tur und Geist steht („Logik“).
c.
Die Grundlage des ableitend-entwerfenden Verfahrens, die
Dialektik. Die verschiedenen Wendungen, welche jeder von den
Dreien dem dialektischen Verfahren gab, sind nicht wesentlich.
d.
Gemeinsam sind auch die Grundkategorien.
e.
Die wichtigste Gemeinsamkeit ist in dem Gedanken der Selbst-
bestimmung des Geistes zu erblicken. Das größte Unternehmen des
deutschen Idealismus ist der Versuch, die Geburt der Dinge aus
dem / Unendlichen als Selbstbestimmung, Selbstbegrenzung,
Selbstdarstellung des absoluten Geistes zu begreifen. Wie sich das
Unendliche zum Endlichen bestimmt, diese Frage ist es, welche der