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1. D a r s t e l l u n g

Als seine Grundgedanken lassen sich in schlagwortartiger Kürze

die folgenden bezeichnen

1

: Der Ausgangspunkt der Philosophie ist

der Zweifel, „es ist an allem zu zweifeln“ (de omnibus dubitandum

est), auch an der Sinneswahrnehmung. Nur an meinem eigenen

Sein kann ich nicht zweifeln, denn: „cogito ergo sum“, ich denke,

also bin ich. Das Kennzeichen der Wahrheit ist, daß ich sehr deut-

lich und klar wahrnehme. Die Idee Gottes hat die größte Realität /

in mir, größere als die Ideen, welche von außen in mich kommen

oder von mir selbst gebildet werden, also ist sie mir angeboren (in-

nata). Diesem psychologischen Beweis für das Dasein Gottes fügt

Descartes den ontologischen hinzu. Außer Gott als der unerschaf-

fenen Substanz erkenne ich klar und deutlich noch: den Geist, dessen

Attribut das Denken (cogitatio), den Körper, dessen Attribut die

Ausdehnung (extensio) ist (welche Attributenlehre eine Zerreißung

von Denken und Sein bedeutet). Die Modi dieser Attribute sind Be-

wegung und Ruhe. Die gesamte Natur ist rein mechanischer Art,

alle Organismen, Pflanzen und Tiere, auch der menschliche Leib,

sind Maschinen; die Tiere haben keine Seele, sind also durchaus

nur Maschinen, in den menschlichen Leib ist die denkende Seele ein-

gepflanzt, welche die Bewegungen des Körpers beeinflußt; ande-

rerseits wird infolge der Schwierigkeit dieses influxus physicus von

Descartes die Mitwirkung Gottes, der concursus Dei, zu Hilfe geru-

fen, womit der spätere „Okkasionalismus“ von A r n o l d G e u -

1 i n c x u n d N i c o l a s d e M a l e b r a n c h e vorweg genom-

men ist.

2.

B e u r t e i l u n g

a.

Der Zweifel

An der Spitze der Lehre steht der Zweifel an allem. Solcher

grundsätzlicher Zweifel ist aber nichts als gesteigerter Relativismus

1

René Descartes: Discours de la méthode, Paris 1637, übersetzt von Arthur

Buchenau: Abhandlungen über die Methode, 3. Aufl., Leipzig 1919 (= Philoso-

phische Bibliothek, Bd 26 a); Les méditations métaphysiques (Meditationes de

prima philosophia), 1641, 3. Aufl., Paris 1673, übersetzt von Arthur Buchenau:

Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Leipzig 1915 (= Philoso-

phische Bibliothek, Bd 27 a); Les principes de la philosophie (Principia philo-

sophiae), Paris 1644, übersetzt von Arthur Buchenau: Die Prinzipien der Philo-

sophie, 4. Aufl., Leipzig 1922 (= Philosophische Bibliothek, Bd 28).

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