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gels: „Was wirklich ist, das ist das Vernünftige und was vernünftig

ist, das ist wirklich“, nicht zu vergessen, daß die Setzungen dieser

Weltvernunft dialektisch bestimmt waren, worin doch offenbar ein

Irrationales liegt. Denn der Gegensatz als Entfaltungsmacht des

Seins (von dem ja alle Dialektik ausgeht) ist so wenig etwas Ratio-

nales, daß er vielmehr logisch überhaupt nicht auflösbar ist. Schon

mit Fichtes Setzungslehre ist das Irrationale in diesem Sinne in die

Philosophie eingeführt worden, wofür ja wieder Kant ein Vorbild

war. Der Form nach hat aber der Rationalismus Descartes’ zum Teil

bis in die Dialektik Hegels nachgewirkt. Erst in der Spätphilosophie

Fichtes und Schellings finden wir diese Vernunftwissenschaft völlig

überwunden.

Nicht mit dem Zweifel soll der Mensch beginnen, sondern mit

dem Glauben.

Der Glaube selber beginnt mit dem Staunen, wie schon Platon

lehrte. Vom Staunen schreitet der Geist fort zum Glauben, durch

den hindurch er von der Eingebung geführt wird. Von hier aus wird

die Philosophie allein begründet, weitergebildet und geführt.

Eine Zeit, welche darnach drängte, die Philosophie vom Zweifel

aus zu begründen, das heißt den Geist durch den Unglauben hin-

durchzuführen und, wie Cartesius zum ersten Male tat, keine Vor-

aussetzung anerkennt als das Bewußtsein des eigenen einzelnen Ich

(cogito ergo sum), und welche darin die erste Wahrheit sieht, von

der aus die anderen Wahrheiten zu begründen wären — eine solche

Zeit muß als abirrend und verfallend bezeichnet werden.

Die „Cartesische Wendung“ in der neuzeitlichen Philosophie muß

als Beginn des Übels wieder rückgängig gemacht werden. Nirgends

wohl zeigt sich der Irrtum unserer Hegelisch eingestellten Ge-

schichtsschreiber der Philosophie deutlicher als an ihrer Darstellung

Descartes’, wenn sie ihn nämlich für ein „notwendiges Glied“ im

Fortgange der Erscheinung und Ausbildung des philosophischen

Organismus behandeln. In der Geschichte gibt es auch Verfall, Rück-

läufigkeit, Unholdentum.

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