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in a t h e i s t i s c h e n N i h i l i s m u s . Aber um so viel mehr Nietzsche dar-
unter leidet und sich dagegen aufbäumt, um so größer ist er als Schopenhauer.
Nietzsche begann als Anhänger Schopenhauers, stieß aber später dessen Meta-
physik aus. Beider Einfluß reicht bis in die heutigen Tage. Beide waren krankhafte
Persönlichkeiten.
Verhängnisvoll ist Nietzsche geworden durch seine Skepsis gegen den Geist,
über den er das V i t a l e stellt. Damit ist aber ein falscher Gegensatz aufgestellt
und ferner das Elementare, Primitive auf den Schild gehoben, die einzig / wahre
Quelle aller Kultur und aller höheren Bildung, der G e i s t , dagegen herab-
gesetzt! Dieser teufliche Irrtum, der heute von verschiedenen Afterphilosophen
gefeiert wird, beruht zuletzt auf einer groben Verwechslung des bloß Verstan-
desmäßigen, Rationalen mit dem Geistigen überhaupt, während in Wahrheit
das Rationale nur das fortbildende, logisch ausarbeitende Element des Geistes ist,
dessen letzter Grund in der E i n g e b u n g Hegt — einem Überrationalen also,
welches hoch über bloßer Vitalität steht. Der Geist ist nicht „Widersacher“ des
Lebens, das Leben aber nur Grundlage des Geistes.
F .
D i e h e u t i g e d e u t s c h e P h i l o s o p h i e
Seit dem Erlöschen der Schulen Schellings, Hegels, Baaders und des Spät-
idealismus
1
führt die deutsche Philosophie ein rühmloses Dasein. Zuerst
herrschte der Materialismus
2
und Positivimus
3
offen, heute versteckt als „N e u -
p o s i t i v i s m u s “
4
. — Die etwa in den sechziger Jahren aufgekommene, auch
heute noch mächtige n e u k a n t i s c h e S c h u l e wurde schon gekennzeich-
net
5
; ähnlich wie die neukantische ist die von dieser und Franz Brentano her-
kommende sogenannte P h ä n o m e n o l o g i s c h e S c h u l e von unfrucht-
baren Sophismen beherrscht
6
.
Der N e u t h o m i s m u s fußt im wesentlichen auf aristotelischen Begriffen
7
.
Als N e u i d e a l i s t e n sind zu nennen: G u s t a v T h e o d o r F e c h -
n e r
8
; H e r m a n n L o t z e
9
; R u d o l p h E u c k e n (
1926)
10
; von Heu-
tigen: Max W u n d t (geboren 1879)
11
.
1
Siehe oben S. 300 f.
2
Siehe oben S. 48 f.
3
Siehe oben S. 42 f.
4
Siehe oben S. 48 f.
5
Siehe oben S. 97 f.
6
Edmund Husserl: Logische Untersuchungen, 2. Aufl., Halle 1921; Ideen zu
einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Halle 1913.
7
Vgl. Joseph Geyser: Einige Hauptprobleme der Metaphysik, mit besonde-
rer Bezugnahme auf die Kritik Kants, Freiburg i. Br. 1923; Joseph Lenz: Vor-
schule der Weisheit, Würzburg 1941.
8
Siehe oben S. 301.
9
Siehe oben S. 97.
10
Rudolph Eucken: Die Lebensanschauungen der großen Denker, 18. Aufl.,
Leipzig 1923.
11
Max Wundt: Ewigkeit und Endlichkeit, Grundzüge der Wesenlehre, Stutt-
gart 1937; Kant als Metaphysiker, Stuttgart 1924; Fichte-Forschungen, Stutt-
gart 1929.