Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6003 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6003 / 9133 Next Page
Page Background

[284/285]

319

ziehen. Der voll entfaltete Idealismus hebt weder das Apriori auf,

noch den Setzungsgedanken, sondern begreift sie in sich. Insoferne

sind diese Gegensätze in ihm alle geschlichtet. Das gilt von seiner

griechischen wie von seiner deutschen Fassung.

Innerhalb des entfalteten Idealismus heben sich zwei ebenfalls

schon gekennzeichnete Grundrichtungen voneinander ab, je nach-

dem nämlich die Ausbildung des Lehrgebäudes mehr auf das Be-

griffswerk oder auf die Erlebnisgrundlage eingestellt ist: die mehr

begriffliche, l o g i s c h - f o r m a l e Richtung und die mehr ein-

gebungsbestimmte, irrationale, s c h a u e n d e u n d r e l i g i ö s e

Richtung.

Die mehr begriffliche, formal-logische Richtung finden wir,

wenn wir nur die größten Vertreter herausheben, entwickelt durch

A r i s t o t e l e s , T h o m a s , H e g e l ; die mehr innerliche, re-

ligiöse, durch P l a t o n , B o n a v e n t u r a , A l b e r t d e n G r o -

ß e n , S c h e l l i n g u n d B a a d e r . Ähnlich ist K a n t der

mehr rationalistische Geist im Vergleich zu dem mystisch-religiösen

F i c h t e , wie er schon in „Die Bestimmung des Menschen“ her-

vortrat. — Bei Aristoteles, Thomas, Kant verbindet sich mit der

Richtung auf die streng begriffliche Ausarbeitung auch eine Rich-

tung auf die Erfahrung; bei Hegel infolge seines ableitend-entwer-

fenden Verfahrens hervorgetreten, dafür aber die Richtung auf die

Geschichte.

Da es sich bei dem Gegensatze des Begrifflichen und Empirischen

gegen das Schauende und Irrationale keineswegs um Grundsätzli-

ches, sondern nur um Arbeitsrichtungen handelt, so ergibt sich von

selbst, daß diese Unterschiede die Einheit des Idealismus nicht

sprengen.

Außer den Verschiedenheiten in der Arbeitsrichtung treten noch

jene in den t r a g e n d e n L e h r b e g r i f f e n hervor. In der

Gotteslehre, Seins- / lehre, Geisteslehre und Naturphilosophie sind

aber die Gegensätze im Vergleich zur Übereinstimmung meist so

gering, daß wir sie besser erst später, im Zusammenhange mit den

Übereinstimmungen bemerklich machen

1

. Nur aus der Vermitt-

lungslehre sei der Hauptstreitpunkt schon hier hervorgehoben, der

nämlich darin besteht, daß Platon eine vorwiegende Jenseitigkeit

der Ideen, Aristoteles eine reine Einwohnung derselben behauptete.

1

Siehe unten S. 325 ff.