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dialektische Verfahren fast wie eine technische Anweisung zur Er-
Zeugung echter Erkenntnis zu handhaben, während Platons Diaire-
sislehre behutsam (allerdings auch unfertig) blieb. Das schadete je-
nen nach außen am meisten. Andererseits ist der letzte Grund-
gedanke der Dialektik, nämlich der vorwärtstreibende Gegensatz,
weder Platon noch Aristoteles fremd.
Gerade die brüderlichen Zwiste in der idealistischen Geistes- und
Erkenntnistheorie gehören zu den empfindlichsten und hartnäckig-
sten, die der Idealismus kennt. Darum fassen wir nochmals schlag-
wortartig das Wesentlichste in einer Ü b e r s i c h t zusammen,
welche auch zeigen soll, daß trotz allem die innere Einheit gewahrt
bleibt, und welche zugleich die scheinbar unauflösbare Verwicklung
auf das einfachste auflöst.
A l t e r t u m
S o k r a t e s findet im Kampfe ge-
gen die Sophisten den Allgemeinbegriff
als überempirisch gültig, gegründet auf
ein Allgemeines an sich. — Sein Weg
ist das Zurückgehen des Selbstbewußt-
seins in sich selbst („Erkenne Dich
selbst“). — Subjekt und Objekt wird
noch entgegen gesetzt.
P l a t o n findet das Allgemeine und
den Allgemeinbegriff selber wieder be-
gründet durch ein übersinnlich Allge-
meines (transzendent-ontologische We-
senheiten), die Ideen. — Durch ein Zu-
rückgehen der Seele in sich selbst er-
weckt sie die in ihr enthaltene Idee
(Anamnesislehre). — Subjekt und Ob-
jekt werden einander nicht mehr grund-
sätzlich entgegen gesetzt, sondern in
ihrer tiefsten Wurzel als Eins gesetzt
(— wieweit, hängt vom Begriffe der
Materie und der Rolle des Abfalls ab).
A r i s t o t e l e s findet das den All-
gemeinbegriff begründende Allgemeine
D e u t s c h e r I d e a l i s m u s
K a n t findet im Kampfe gegen die
Empiristen etwas, was den Allgemein-
begriff als einen überempirisch gültigen
begründet: die vorempirischen Denk-
formen,
apriorischen
Kategorien,
„Stammbegriffe des Verstandes“, also
zwar nicht angeborene Ideen mit fer-
tigem Inhalte, aber angeborene Tätig-
keitsweisen, die dem Erfahrungsstoffe
seine Denkbestimmungen (und Sinnlich-
keitsbestimmungen) geben, ihn dadurch
formen. — Sein Weg ist das Zurück-
gehen des Selbstbewußtseins in sich
selbst. — Subjekt und Objekt werden
noch entgegen gesetzt.
F i c h t e findet die Begründung der
Kategorien in der Erzeugung dieser
Kategorien innerhalb der Dialektik der
Selbstsetzung des Ich. — Sein Weg ist
das Zurückgehen des Selbst- / bewußt-
seins in sich selbst, wo es als sein Letz-
tes die Selbstsetzung findet. — Subjekt
und Objekt werden nicht mehr grund-
sätzlich entgegen gesetzt, sondern in der
tiefsten Wurzel als Eins gesetzt.
( F i c h t e ) S c h e l l i n g , H e g e l
finden die Erzeugung der Kategorien