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t a f e l n . Ein grundsätzlicher Unterschied besteht darin, daß die

Kantische Kategorientafel das subjektive Apriori geben will, wäh-

rend die Kategorientafeln von Platon, Aristoteles, Schelling und

Hegel sowohl für das Denken wie für das Sein gelten wollen; und

dasselbe muß auch seit „Die Bestimmung des Menschen“ (1800) von

Fichte gesagt werden

1

. Wird das subjektive Apriori Kantens als

eine Übergangsform ausgeschieden und in seiner Beschränktheit wie

geschichtlichen Bestimmung erkannt, so sind damit auch schon die

Schwierigkeiten gelöst. — Innerhalb der Platonischen, Aristoteli-

schen, Fichtischen und Hegelischen Kategorientafel bestehen nun

wohl sehr bedeutende Unterschiede. Aber ihre Prüfung gehört der

E i n z e l u n t e r s u c h u n g an, ist eine Frage, die sich inner-

halb gemeinsamer Grundlagen bewegt, also eine häusliche Zwi-

stigkeit, welche die grundsätzliche Übereinstimmung nicht sprengt.

In n a t u r p h i l o s o p h i s c h e r H i n s i c h t zeigte sich be-

reits der wesentlichste Unterschied darin, daß Platon durch jene

Minderbewertung der Vorstellung und durch den Begriff der Mate-

rie als Nicht-Sein

(μή όν

) vor einem Idealisieren der Natur be-

wahrt wurde; Schelling wurde anfangs umgekehrt in eine allzu

geradlinige Durchführung des Satzes: „Natur ist Geist“ hinge-

drängt

2

. Endlich: für Hegel und Aristoteles ist die Welt bis auf den

Grund begreifbar, für Platon und Schelling bleibt ein unauflöslicher

Grund zurück.

Alle angeführten Unterschiede zeigen deutlich, daß sie sich auf

dem Boden gleicher Hauptbegriffe und Grundsätze bewegen. Leider

ist dieser einzig wahre Anblick der Dinge ungewohnt. Denn außer

den augenfälligen Verschiedenheiten, wie sie in der Kunstsprache,

der Aufgabenstellung, Arbeitsrichtung und anderem zum Ausdruck

kommen, pflegen mit Vorliebe sogar noch andere hervorgehoben

zu werden, die nicht einmal bestehen und sich doch wie grundsätz-

liche ausnehmen. / Zum Beispiel kennzeichnet der Geschichts-

schreiber Christlieb Julius Braniss

1

die Unterschiede Kantens und

seiner Nachfolger dahin: Kant habe das sittliche Ideal in den Mittel-

punkt gestellt; Fichte das immanente Ich; Schelling die absolute

1

Siehe oben S. 139 f.

2

Siehe oben S. 263 ff.

3

Nach Johann Eduard Erdmann: Grundriß der Geschichte der Philosophie,

Bd 2, 3. Aufl., Berlin 1878, S. 737.