Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6044 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6044 / 9133 Next Page
Page Background

360

[320/321]

Wirkung. Aus der Schauung selbst gestaltet sich das Werk, darum

schon uralte Weisheit sagt: Gott hat durch Selbstanschauung die

Welt erschaffen.

Diese Einsicht begegnet uns in der idealistischen Philosophie der

Urzeit und gehört zum Grundbesitz der christlichen Religion.

Aus je tieferer, den ganzen Menschen erfassenden Schauung das

Werk hervorbricht, um so weniger ausgeklügelt ist es, mit um so

größerer innerer Gewalt und nachtwandlerischer Sicherheit nimmt

es seine Gestalt an. Das Werk jedes Begeisterten zeugt davon. Man /

denke an Luthers: „Hier steh’ ich, ich kann nicht anders...“ Ein

vulkanischer Ausbruch des Handelns aus dem Erleben wird von

Beethoven im „Fidelio“ geschildert, in jener Szene, wo Fidelio den

Beschluß hört, daß ihr Gatte zu ermorden sei: „Ich folg’ dem innern

Triebe, ich wanke nicht...“ Mit wahrer Urkraft zeigen Ton und

Zeitmaß den Ausbruch des Wollens, das zum Handeln führt. Nach

derselben Art ist aber auch alles andere, auch das weniger tiefgrün-

dige und sogar das gebrochene, zwiespältige Handeln.

Wird der rationalistische Begriff des Handelns, wonach es nur

aus einer begrifflichen Überlegung — die doch selber erst aus dem

Eingebungsgrunde folgt — folgen soll, überwunden, dann besteht

auch der Gegensatz von Schauen und Handeln nicht mehr. Es kann

die nach außen gekehrte T ä t i g k e i t des Wirkens nur aus der

nach innen gekehrten T ä t i g k e i t des Schauens kommen. Tä-

tigkeit folgt aus Tätigkeit.

Das Tun um des bloßen Tuns willen führt zur leeren Geschäftig-

keit, das Schauen um des Schauens willen zur unfruchtbaren Erge-

bung, Trägheit. Geschäftigkeit und Ergebung, beide sind Entartun-

gen. Nur bei diesen Entartungsformen besteht ein Gegensatz von

Schauen und Handeln. Dem Wesen der Sache nach besteht eine

G e g e n s e i t i g k e i t von Schauen und Handeln unter dem

Vorrange des Schauens. Schauen ohne Handeln ist unfertig, Handeln

ohne Schauungsgrund unfruchtbar, ja unmöglich. (Eine andere Ge-

genseitigkeit, das künstlerische Gestalten, ist hier zu übergehen.)

Denken, Gestalten, Handeln stehen als Vermittelbarungsweisen

des Schauens zugleich im Verhältnisse der Gegenseitigkeit zu ihm.

Ein Punkt, der noch über die Gegenseitigkeit von Schauen und

Handeln hinausgeht, ist das, was man die W i e d e r b r i n g u n g

in einem übertragenen Sinne nennen könnte. Das Handeln ist nicht