Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6046 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6046 / 9133 Next Page
Page Background

362

[322/323]

Jener Begriff, der uns diese Frage später völlig auflösen wird, ist

der des „Fünkleins“

1

. — Unmöglich ist es dagegen, sich ein äußer-

liches, mechanisches Verhältnis Gottes zur Welt vorzustellen: „Was

wär ein Gott, der nur von außen stieße?“ sagt Goethe.

Was aus dem Innern des Schöpfers stammt, kann nie in die Ver-

fremdung der Äußerlichkeit hinausgestoßen werden. Es bleibt im

Schöpfer befaßt.

Eine andere Form des gleichen Einwandes wäre die „Konsubstantialität“, welche

fälschlich Geschöpf und Schöpfer vereinerleit. — Mit der persönlichen Art des

Schauungserlebnisses hängt endlich der falsche Einwand der S u b j e k t i v i t ä t

a l l e r M y s t i k zusammen. In Wahrheit ist alle Mystik übersubjektiv. Allen

diesen Gedanken werden wir später noch begegnen.

C. H a u p t p u n k t e d e r M y s t i k

Wir haben auf das Unmittelbare als die Grundlage aller Mystik

hingeführt und sind nun gerüstet, die Hauptlehrbegriffe der Mystik

kennenzulernen.

/

Das unverjährbare Recht der Mystik besteht darin, daß das, wor-

auf sie sich beruft, jeder Mensch in der Tiefe seines Wesens besitzt.

Die mystische Lehre wird aber erst dort auftreten, wo es um das

höchste Ziel des Mystikers geht, darum, ein unmittelbares Verhält-

nis zu Gott zu gewinnen. Daher kann es auch als Kennzeichen des

Mystikers gelten, daß er eine allzu große Entfernung des Menschen

von Gott nicht kennt. Die innige Wesensverwandtschaft des Tief-

sten der menschlichen Seele mit Gott ist Grundlehre der Mystik

aller Zeiten.

Damit sind auch schon die Hauptpunkte aller Mystik bezeichnet.

Wir können sie, indem wir uns dabei mehr an die Fassung Meister

Eckeharts anlehnen, folgendermaßen näher bestimmen:

1.

Es ist etwas im Menschen, das Gott innig verwandt, ja we-

sensgleich ist, der Grund der Seele, der Geist, ihr Einfaches, ihr in-

neres Wesen, das „Fünklein“.

2.

Der Mensch kann durch Abgeschiedenheit und Versenkung

1

Siehe unten S. 364 ff.