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Orte. Diese „Gottgleichheit“ besteht, trotzdem die Seele von Gott

geschaffen ist. „Was Gott von Natur, das ist die Seele von Gnade.“

1

Durch dieses „von Gnade“ ist der angefochtene Satz zu erläutern

„ein Licht ist in der Seele, das ist ungeschaffen und unschaffbar“

2

.

Ob hier das Fünklein nach dem Bilde der Emanation gedacht wird

(mehr als ein Bild ist es nicht), macht nichts Wesentliches aus. Ein

Pantheismus in jenem Sinne, der die Jenseitigkeit Gottes gefährdet,

ist ausgeschlossen. Er gerade wäre für den Mystiker das Unfaßbarste.

Und ist es denn nicht christliche Lehre, daß Gott sich dem Menschen

durch seinen Geist selbst gegeben habe?

Diese Gottgleichheit verkündet alle Mystik. Gleichwie in der in-

dischen Mystik Atman (tiefster Grund des Ich) gleich Brahman

(Gott) ist, und ohne das „ d a s b i s t du“, tat twam asi, nicht

denkbar wäre

3

; so auch in der neuplatonischen Mystik, so auch bei

Dionysius Areopagita, so auch bei Scotus Eriugena, so bei Bona-

ventura, so auch bei Meister Eckehart.

Es ist „eine Kraft in der Seele, die ist... sippe göttlicher Natur“

4

. „Ich hân

etwenne gesprochen von einem liehte, ist in der sêle, daz ist ungeschaffen und

unschöpflich (ungeschöpflich).“

5

„Gott geht hie in die Seele mit dem Seinen

ganz, nicht mit einem Teile. Gott geht hie in die Seele in dem Grunde. Niemand

tut den Grund rühren in der Seele, denn Gott allein. Die Kreatur kann nicht in

den Grund der Seele, sie muß hie draußen bleiben in den Kräften.“

6

— „Gott

ist in der Seele mit seiner Natur, mit seinem Wesen und mit seiner Gottheit,

und er ist doch nicht die Seele, das Widerspielen der Seele, das ist in Gott. Gott

und sie ist doch, das sie ist.“

7

— Das ist die Gottesgeburt in der Seele: „Sol mîn

sêle got bekennen (erkennen), sô muoz daz von nôt sin, daz dû bî ich sîst, und

îch bî dû“ (daß Gott das Du zu meinem Ich und ich das Du zu Gott sei = daß

Gott bei mir und ich bei Gott sei

8

). — Der Seelengrund „ist ein lauteres Licht,

aus Gott geflossen, da ist nicht mehr Unterschied, denn daß es Gott versteht“

9

.

„ . . . in dem Grunde da ist das Mittel Schweigen, hie ist allein Ruhe und eine

Wohnung zu dieser Geburt (Gottes).. .“

10

„Swâ got unde diu sêle vereinet

sullen werden, daß muoß von gl1icheit kommen.“

11

1

Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 531

Zeile 36.

2

Meister Eckhart, S. 193, Zeile 17.

3

Siehe oben S. 136.

4

Meister Eckhart, S. 63, Zeile 28.

5

Meister Eckhart, S. 163, Zeile 16.

6

Meister Eckhart, S. 5, Zeile 3.

7

Meister Eckhart, S. 180, Zeile 39 ff.

8

Meister Eckhart, S. 139, Zeile 30.

9

Meister Eckhart, S. 251, Zeile 9.

10

Meister Eckhart, S. 4, Zeile 39.

11

Meister Eckhart, S. 85, Zeile 23.