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erkannt“, ist ebensowohl aristotelisch, wie er auch der indischen und
der vorplatonischen Mystik angehört.
Die G e s e l l s c h a f t s -
u n d
S i t t e n l e h r e Plotins
gleicht grundsätzlich jener Platons. Das Endziel ist ebenso wie bei
diesem die Vergottung. Auch ist ihm die Askese keine Weltflucht
im Sinne unfruchtbarer Verneinung. Die Erde fliehen, sagt Plotin
mit Platon, heißt nicht von ihr Weggehen, sondern auf Erden ge-
recht und heilig sein
1
. Die höchste Tätigkeit der Seele ist das
Schauen. Das Handeln ist selbst nur eine schwächere Art des
Schauens
2
.
Die Gefahr jeder Mystik, durch die Einkehr in das eigene Innere,
das Schauen, die Welt hinter sich zu lassen, zur Weltverneinung und
zum Quietismus zu kommen, meldet sich auch bei Plotin. Es finden
sich bei ihm (ähnlich wie ja auch bei Platon) unleugbare Züge sol-
cher Art. „Wir müssen uns beeilen, aus dieser Welt hinauszugelan-
gen, wir müssen Trauer empfinden über unsere Fesseln.“
3
Die Über-
springung der objektiven Ordnung der Ideenwelt durch die Unmit-
telbarkeit des Schauens, das heißt den Subjektivismus, hat Plotin
aber wie jeder echte Mystiker vermieden.
C. M e i s t e r E c k e h a r t
4
„Diz ist Meister Eckehart
Dem got nie niht verbarc.“
1 . D i e H a u p t g e d a n k e n s e i n e r L e h r e n a c h
P r e d i g t 56
Statt weitausholender Erörterungen begnügen wir uns, auf das
Wesentliche der Lehre Meister Eckeharts hinzulenken, indem wir
ihn selbst sprechen lassen. Den besten Einblick in Eckeharts Lehre
ge- / währt Predigt 56, die man als kleinen Abriß des Gesamt-
1
Plotin: Enneaden, I, 8, 6.
2
Plotin: Enneaden, III, 8, 4—6.
3
Plotin: Enneaden, VI, 9, 8.
4
1260—1327. Die deutschen Predigten und Abhandlungen sammelte in lang-
jähriger, grundlegender Arbeit: F r a n z P f e i f f e r : Meister Eckhart, Leipzig
1837 (
=
Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts, Bd 2, seither neue Abdrucke),