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gebäudes nehmen kann. Wir wollen sie als Ganzes hierhersetzen und

erläutern. Ihr Wortlaut ist allerdings nicht durchaus einwandfrei.

Sie ist wahrscheinlich eine nicht voll genügende Nachschrift. Sie

läßt sich in zehn Teile teilen, dann lösen sich die Schwierigkeiten

des Zusammenhanges

1

.

1 „Nû merkent, ich wil nû sprechen daß ich nie mê gesprach. Do got himel,

erde und alle crêatûren geschuof, do workte got niht; ern hâte niht zu wür-

kenne, in ime was ouch kein werc. Dô sprach got wir machen einen glichen.

Schepfen ist ein lîht dinc: daz tuot man swenne und swie man wil. Aber daz ich

mache, daz mache ich selbe mit mir selben und in mir selben unde drücke min

bilde zemâle dar în. Wir machen einen glîchen: niht dû vater noch du sun

noch du heiligeist, mêr: wir in dem rate der heiligen drîvaltigkeit wir machen

einen glichen.

Do got den menschen gemahte, dô worhte er in der sêle sîn glîch werc,

sîn wirkendez unde sîn iemer werendez werc. Daz werc was so grôz, daz es

anders niht enwas dan diu sêle: diu was daz werc gotes. Gotes nâtûre, sîn wesen

unde sîn gotheit hanget dar an, daz er muoz wirken in der sêle. Got segen, got

segen!“

2

Erläuterung. a. N a t u r u n d S e e l e . Eckehart spricht vom

Wesen der Schöpfung, stellt aber zuerst den ungeheuren Unter-

schied von Natur und Seele fest. Die Seele allein ist das Ebenbild der

Gottheit, nur ihr kommt Gottgleichheit zu. Die Natur dagegen ist,

wie Eckehart anderwärts sagt, nur ein „Fußstapfen“

3

Gottes. Da-

her: „als Gott Himmel und Erde schuf, da wirkte Gott nicht“, näm-

lich nicht in dem Sinne, daß er sich selbst gab; erst als er die Seele

schuf, da nahm er von dem Innersten seines Wesens, da gab er sich

selbst, da wirkte er sein vollgültiges Werk, das er selbst ist. Denn

Gott hängt an der Seele, im Grunde der Seele ist er selbst gegen-

nachdem schon vorher F r a n z v o n B a a d e r und dessen Schwiegersohn

E r n s t v o n L a s a u l x gesammelt hatten. — Dazu: Otto Karrer: Meister Eck-

harts Rechtfertigungsschrift vom Jahre 1326. Erfurt 1927 und die sozialphiloso-

phische Auswahl von Ilse Roloff: Meister Eckharts Schriften zur Gesellschafts-

philosophie, Jena 1934 (= Die Herdflamme, Bd 20), mit bisher ungedruckten

lateinischen Stellen. — Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke,

herausgegeben im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Stuttgart 1936

ff. — Vgl. auch meine Abhandlung: Meister Eckeharts mystische Erkenntnislehre,

in: Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd 3, 1948, S. 339 ff.

1

Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 179,

Zeile 23 ff. Den ersten Absatz, der verworren ist (Zeile 11—22), lasse ich weg.

Infolge meiner Unterscheidung von zehn Punkten muß ich andere Absätze bilden

als Pfeiffer.

2

Meister Eckhart, S. 179, Zeile 23—36.

3

Meister Eckhart, S. 11, Zeile 7.