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die Seele, die ihn in sich zum Bewußtsein bringen kann, das Eben-

bild.

Gott liebt sich selbst in seinen Werken. Dieser Satz wird gewöhn-

lich „pantheistisch“ genommen. Meister Eckehart wird gleich aller

Mystik immer wieder pantheistisch ausgelegt. Lehmann

1

zum Bei-

spiel übersetzt „got smacket ime selber“ (und so fort): „Gott ist sich

seiner bewußt und in diesem Selbstbewußtsein wird er sich auch aller

Kreaturen bewußt.“ Das hieße, daß der Schöpfer im Geschöpf

ausflösse und erst im ausgeflossenen Geschöpfe zum Bewußtsein

(zum Schmecken, zum Minnen) seiner selbst komme. So steht es

nicht. Hier ist keine Spur von Pantheismus, sondern lediglich der

Begriff der Selbstanschauung, der ewig richtig ist. In jenen Sätzen

Meister Eckeharts liegt nichts anderes, als daß die Liebe der Kreatu-

ren untereinander eben die Gottesliebe in der Kreatur ist und diese

wieder aus Gott selbst stammt. Dem Satze Meister Eckeharts: „Gott

wird durch Gott erkannt in der Seele“, könnte man auch hinzufü-

gen, Gott wird durch Gott geliebt in der Seele. Das Leben der Welt

ist dem Mystiker immer die Selbstliebe Gottes gewesen. Angelus

Silesius sagt:

„Die Liebe, welche sich zu Gott in Dir beweist,

Ist Gottes ewige Kraft, sein Feu’r und heil’ger Geist.“

/

Hier liegt endlich auch das Geheimnis der Liebe der Geschöpfe

untereinander beschlossen. Gott liebt sich selbst in den Dingen, das

Geschöpf liebt im andern sich selbst, sofern es selbst zu Gott gehört.

Es liebt im andern den Gott, der im Liebenden selbst ebenso wie in

den anderen Geschöpfen wirklich ist. Was nicht Gott ist, ist nichtig.

Die Geschöpfe sind an sich selbst ein Nichts und können nicht sich

selbst noch den andern, sondern nur Gott ineinander lieben.

Wenn das Weltleben Selbstliebe Gottes ist, kann das Weltleben

nicht wertlos sein. Im Gegenteil! Man kann und muß daraus fol-

gern: das Weltleben muß gelebt, die Weltarbeit getan werden

2

.

Es dünkt uns daher ein wichtiger Lehrpunkt, daß die Selbstliebe

1

Meister Eckhart, ausgewählt, eingeleitet und übersetzt von Walter Lehmann.

Göttingen 1919, S. 240. (Eine sonst vorzügliche Übersetzung).

2

So auch die Bhagavadgita, III, 4: „Nicht durch Enthaltung von Werken...

und nicht durch bloßes Wegwerfen von allem gelangt der Mensch zur Vollen-

dung.“