Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6060 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6060 / 9133 Next Page
Page Background

376

[334/335]

wärtig, wie Meister Eckehart lehrt

1

. Darum kann Gott nicht mit

einem Teile seiner Kraft die Seele schaffen, er muß sich ganz dafür

einsetzen: „Wir im Rat der drei Personen“, wir Vater, Sohn und

Geist, machen einen Gleichen (ein Ebenbild). Hieraus spricht das

Wissen von der ungeheuren Größe der urbildlichen Seele. Alles ist

nichts gegen die Seele.

b. E b e n b i l d u n d S c h ö p f u n g . Was heißt aber „Eben-

bild“? Darunter darf man sich selbstverständlich kein äußerliches,

zeichnerisches Bild vorstellen. Es ist auch kein stofflich ausgeflos-

senes (emaniertes) Eben- / bild, das Gott gewissermaßen aus sei-

nem eigenen Stoffe geformt hätte. Das „Ebenbild“ muß verstanden

werden als Hervorbringen und Hingabe des eigenen Wesens. Der

Mensch kann sich das von seinem eigenen Schaffen her klar machen.

Bei rein äußerlichen Taten und Gebilden ist das innere Wesen des

Menschen nicht dabei. Wenn aber ein Künstler in seinem Schaffen

sich selbst gibt, dann ist das Kunstwerk sein Ebenbild; wenn die

Mutter dem Kinde alles gibt, was sie geben kann, ihre eigene Seele,

dann hat sie (wenn es gelingt) ihr Ebenbild geschaffen. Ihre Natur,

ihr Wesen, ihre Seele hängen an diesem Werke. Darum sagt auch

Meister Eckehart von der Seele als dem höchsten Werke Gottes:

Gottes Natur, sein Wesen, seine Gottheit hängt daran. Wenn die

Seele wirklich sein Ebenbild ist, so schafft damit Gott sich selbst.

Zwar ist das Geschöpf nicht dasselbe wie der Schöpfer (nicht sub-

stantiell einerlei), aber wesensverwandt. Damit ist auch gesagt: daß

jede Schöpfung, die aus dem Ganzen des Schöpfers heraus geschieht,

ein ihm Artgleiches erschafft

2

. — A n g e l u s S i l e s i u s

3

:

„Ich trage Gottes Bild: Wenn er sich will beseh’n,

So kann es nur in mir und wer mir gleicht gescheh’n.“

oder:

„Gott ist in mir das Feu’r, und ich in ihm der Schein:

Sind wir einander nicht ganz inniglich gemein?“

1

Siehe oben S. 364 ff. über das Fünklein, unten S. 377, 379 ff. und 384.

2

Das Schöpfen aus dem Grunde nennt Eckehart hier „machen“ („wir machen

einen Gleichen“) und das äußerliche Machen schöpfen. Heute nennen wir umge-

kehrt „schöpfen“ das Wesenhafte und „machen“ das Äußerliche. Doch ist auch

der Gebrauch bei Eckehart schwankend.

3

Deckname für Johann Scheffler (1624—1677), Hauptwerk: Cherubinischer

Wandersmann, 1674, neu herausgegeben von Georg Allinger, Halle 1895.