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Die lerer lobent minne groezlîchen, als sant Paulus tuot, dâ er sprichet in
was üebunge ich mac gestân, hân ich niht minne, so enbin ich nihtes / niht’.
So lobe ich abegescheidenheit für alle minne. Zem êrsten dar umbe, wan daz beste
an der minne ist, daz si mich twinget, daz ich got minne. Nû ist vil adelîcher,
daz ich got twinge zuo mir, dan daz ich mich twinge zuo gote. Und ist daz dâ von,
wan mîn êwigiu sêlikeit lît dar an, daz ich unde got vereinet werden; wan
got kan sich einfüeglîcher füegen zui mir unde baz vereinen mit mir, dan ich mich
kunde vereinen mit gote.“
1
An einer anderen Stelle erklärt Meister Eckehart die Abgeschie-
denheit deutlich als die Kunst der Sammlung, der Versenkung:
„ L e e r s e i n a l l e r K r e a t u r i s t G o t t e s v o l l s e i n
und voll sein aller Kreatur ist Gottes leer sein.“
2
Hierin liegt der
Inbegriff aller praktischen Mystik. Sie ist Versenkungslehre. „Du
sollst wissen, daß rechte Abgeschiedenheit nicht anders ist, als daß
der Geist also unbeweglich stände gegen alle Zufälle Liebes und Lei-
des, Ehren, Schande und Lasters, als ein breiter Berg unbeweglich
steht gegen einen kleinen Wind.“
3
c.
Abgeschiedenheit und Handeln
Versteht man Abgeschiedenheit als Versenkung, dann ist auch die
Verbindung mit Platon hergestellt: Die Abgeschiedenheitslehre ent-
spricht der Aufstieglehre Platons. Die Seele ist zuerst voll der Krea-
tur, wird stufenweise entleert und endet schließlich bei dem letzten
Ansich der Dinge, das zu Gott führt. Die Abgeschiedenheitslehre
kennt ebenfalls eine ununterbrochene Stufenreihe, die zum Leersein
von den Dingen führt und zur Einziehung der Seelenkräfte, zu
U n m i t t e l b a r k e i t , zu jenem Schauen (Entzückung, inslac),
welches die höchste Einung mit Gott erreicht.
Das Ziel der Abgeschiedenheit ist die Geburt Gottes in der Seele.
Vergottung des Menschen ist das Ziel aller praktischen Lebenslehre,
aller Sittenlehre, aller Gesellschaftslehre. Nicht durch geschäftiges
Streben, sondern nur durch selbstlose Hingabe, vollkommene Selbst-
Vergessenheit kann dieses Ziel erreicht werden:
„Gelassenheit fäht (fängt) Gott; Gott aber selbst zu lassen,
Ist ein Gelassenheit, die wenig Menschen fassen.“
1
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 483,
Zeile 32 bis S. 484, Zeile 18.
2
Meister Eckhart, S. 487, Zeile 10.
3
Meister Eckhart, S. 486, Zeile 34.