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sein: es stellt sich in den Gliedern dar

1

.“ Für diesen Satz bedarf es

keiner Berufung auf besondere Erlebnisse, er ist ein rein logisch zu

begründender, ein rein kategorialer Satz. Denn würde das Ganze

an sich, das Ganze als s o l c h e s erscheinen, dann müßte es als

ein bestimmtes Einzelnes, als ein bestimmtes Etwas, als Konkretum

auftreten. Dann wäre es aber ein Ding für sich — nicht mehr das

Ganze. Das Ganze muß sich in a l l e n Gliedern darstellen, es

wird in a l l e n Gliedern geboren und kann darum selbst in kon-

kreter Gestalt nicht erscheinen! Darum gibt es z. B. nicht den Staat

an sich (es gibt niemanden und nichts, was der „Staat“ selbst wäre),

sondern nur die einzelnen Staatsorgane, z. B. Herrscher, Beamte,

Bürger; nicht das Volkstum an sich (niemanden, der selber das

Volkstum wäre, und wäre es Goethe), sondern nur bestimmte

Volkstumsträger, Volkstumsglieder. Und so gibt es auch Seele und

Geist nicht an sich, sondern nur die einzelnen seelisch-geistigen Er-

scheinungen, die Teile, Glieder, in denen der Geist sich darstellt.

Eben darum, weil das Ganze allen Gliedern zugrunde liegt und

daher selber dinghaft, konkret nicht erscheinen kann — e b e n

d a r u m i s t d e r B e g r i f f e i n e s A n - s i c h d e s G e i s t e s

d e r A n f a n g a l l e r G e i s t e s l e h r e . Es muß den Geist an

sich geben, den Geistesgrund, den lauteren Geist; aber er kann nicht

offenbar werden, er kann nicht erscheinende Einzelgestalt anneh-

men. Er muß der unoffenbare Geistesgrund bleiben, um überall im

Denken, Gestalten, Streben, Handeln, Empfinden erscheinen zu

können.

/

Wer dieses Ergebnis, das ebenso aus der ganzheitlichen Zergliede-

rung wie aus dem Verfahren folgt, nicht annimmt, dem bleibt nichts

übrig, als zum mechanistischen Standpunkte zurückzukehren. Dann

gelangt er aber unvermeidlich zur Assoziationsseelenlehre. Denn

diese allein ist in ihrer Weise folgerichtig, indem sie nicht vom Gan-

zen ausgeht, sondern von den Teilen als solchen, daher von diesen

als vor dem Ganzen (und ohne das Ganze) bestehend. Geht man

aber von der Ganzheit aus — und die Begriffe „Gestalt“, „Struk-

tur“, „Denkzusammenhang“ sind, recht verstanden, Ansätze dazu

— dann kann man dem Satze nicht entfliehen: „Das Ganze als sol-

ches hat kein Dasein“; und ebensowenig dem Satze: „Das Ganze ist

1

Kategorienlehre, Jena 1924, S. 54 ff. [2. Aufl., Jena 1939, S. 60 ff.].