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tons „Geist als Lenker
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“, Aristoteles’ „schaffender Geist“
(νούς
ποητικός
),
der „Intellectus agens“ der Scholastik ist nichts anderes als
das Unoffenbare des Geistes. Allerdings wird dieser Lehrbegriff von
den rationalistischen Schulen der Scholastik in der Seelenlehre nicht
entsprechend verwertet. Dasselbe lehren die Upanischaden. Die
Atman-Brahman-Lehre entwickelt den Begriff des Atman als das
An-sich des Geistes (dabei lehrt sie, wie alle anderen Mystiker, die
Wesensgleichheit desselben mit Gott).
B. U n o f f e n b a r e r G e i s t e s g r u n d u n d I c h h e i t
Wir nehmen Späteres vorweg, wenn wir hier auch auf die Un-
entbehrlichkeit des Begriffes des Geistesgrundes für die Begründung
der Ichheit oder Persönlichkeit verweisen, tun es aber, um eine Un-
klarheit nicht aufkommen zu lassen. Der / Begriff der Ichheit ist
zunächst gekennzeichnet durch die Bezogenheit aller geistigen Er-
scheinungen des einzelnen Menschen auf sich selber. Aber wo ist der
Punkt, in welchem diese Selbstbezogenheit Grund finden soll? Es
genügt nicht, das „Ich“ ganz im allgemeinen als die „Einheit“ zu be-
zeichnen. Denn die Vielheit der einzelnen Regungen, Gedanken,
Bestrebungen kann nicht nur im allgemeinen zusammengefaßt wer-
den; sie muß einen b e s t i m m t e n Ankergrund der Verein-
heitlichung finden — und eben dieser ist das An-sich des Geistes.
Kategorial gesehen ist es die R ü c k V e r b u n d e n h e i t der
Glieder des Bewußtseins in der Ganzheit (ein Begriff, der allerdings
erst später zu erklären sein wird), was die Ichheit und eben da-
durch auch die „Einheit des Bewußtseins“ begründet. Die „Ein-
heit des Ich“ ist anders als aus der ganzheitlichen Natur des Be-
wußtseins gar nicht zu erklären. Die Mannigfaltigkeit der Glieder
bedarf der Rückverbindung im Quellpunkte des geistigen Lebens,
im unoffenbaren Geistesgrunde.
Eine weitere Begründung des Begriffes der Ichheit kann erst später, in der
Rückverbundenheitslehre, erfolgen.
Da auf der Stufe des lauteren Geistes der Geist noch nicht in
bestimmter Erscheinung auftritt, kann sie auch als V o r s t u f e
der Erscheinungen des Geistes bezeichnet werden. Aus diesem
1
Platon: Phaidros 246b.