Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6179 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6179 / 9133 Next Page
Page Background

[22/23/24]

25

nen, Bewußtsein der R ü c k v e r b u n d e n h e i t in / einem

l e t z t e n Gesamtganzen und seiner Ausgliederungsmacht, mehr

anzeigen, als im bloßen Gliederleben liegt, es muß Über-Gliedliches

anzeigen — das, was man in der deutschen Sprache Übersinnliches

nennt. Wir nennen dieses Bewußtsein, das noch unausgeformt, noch

nackt und bloß von allem Wissen zu denken ist: A n d a c h t ,

G l a u b e a n s i c h . Andacht, Glaube, Bewußtsein von Übersinn-

lichem überhaupt kommen seit urältesten Zeiten im Kulturleben

zur Erscheinung als R e l i g i o n u n d m e t a p h y s i s c h e

P h i l o s o p h i e .

Mit allen diesen Bestimmungen haben wir das übersinnliche Be-

wußtsein gekennzeichnet:

1.

als ursprünglich, arteigen, also als nicht abgeleitet, weder vom

Vorstellen, noch vom Bedürfen, noch vom sittlichen Sollen, sondern

als von sich selber herkommend; wir haben es

2.

eben damit als ungegenständlich, das heißt als die sonstigen

menschlichen

Bewußtseinskräfte

ü b e r h ö h e n d

(transzendie-

rend), erkannt.

3. Aus der Ungegenständlichkeit folgt: es ist in sich selbst nicht

voll konkretisierbar. Daß der Stein gewußt wird (womit das Wis-

sen bestimmt, konkret ist), Gott aber nicht gewußt, nicht von An-

gesicht zu Angesicht gesehen wird, diese Grundtatsache des religiö-

sen Bewußtseins ist uns nun voll verständlich. Denn nicht eines

Gegenstandes, nur des Enthaltenseins, und zwar in einem Überhö-

henden, im Höchsten, wird der Geist durch Glaubensahnung inne.

Daher die Sonderstellung des Glaubens in der Reihe der Bewußt-

seinserscheinungen: Überall deutet der Glaube auf Geheimnis!

Seinem Wesen nach kann der Glaube das Geheimnis nicht verlieren.

In der Nichtkonkretisierbarkeit, der Unaufhellbarkeit des über-

sinnlichen Geheimnisses, liegt aber auch eine andere Erscheinung

beschlossen, die ebenso alt ist wie die Religion: daß der Glaube

immer wieder wanken könne. Das R i n g e n d e , R o m a n t i -

s c h e , Z w e i f l e r i s c h e a l l e s G l a u b e n s l e b e n s b i s /

z u m U n g l a u b e n (der aber sogar beim Atheisten eine Selbst-

täuschung bleibt) erweist sich nun als tiefgewurzelt. Selbst der

Mystiker hat seine „trockene Zeit“. Es gibt übersinnliches Bewußt-

sein und dennoch Ringen, Zweifel, sogar (dem Scheine nach) Un-

glauben.