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Auch das hat echte Metaphysik mit der Religion gemein, daß sie

das Geheimnis nie auszusagen vermag. Denn Unauflöslichkeit des

Geheimnisses liegt im Grunde des übersinnlichen Bewußtseins.

Daher denn eine Metaphysik, welche die Welt bis auf den Grund

durchschauen will, wie es die Hegelische in gewissem Sinne

versucht, verliert; jene aber, die das Geheimnis wahrt, wie Platons

Mythos, Fichtes und Schellings Spätlehre, gewinnt.

C.

B e m e r k u n g e n ü b e r d a s V e r h ä l t n i s u n s e r e r

B e g r i f f s b e s t i m m u n g z u h e u t e h e r r s c h e n d e n

L e h r b e g r i f f e n

Nicht zum wahren Begriffe konnten alle jene Lehren Vordringen, welche das

übersinnliche Bewußtsein nicht als arteigenes anerkannten. Seit Hume war die

aufklärerische Wissenschaft, wie wir uns erinnern, bemüht, die religiösen Er-

scheinungen als subjektive, willkürliche „Wünsche“, „Bedürfnisse“, primitive

„Kausalerklärungen“ (besonders der Naturerscheinungen) aufzufassen und daher

als „anthropomorph“ zu kennzeichnen

1

. Einen womöglich geläuterten Stand-

punkt sucht die neueste „experimentelle Religionspsychologie“ zu gewinnen. Ein

neues zusammenfassendes Büchlein entwirft von den bisherigen Meinungen fol-

gendes bezeichnende (wenn auch meines Erachtens allerdings nicht genaue)

Bild: „Ein Kant suchte das Wesen der Religion im Willen, ein Schleiermacher

im Gefühl, ein Hegel in der Vernunft, ein L. Feuerbach, ein W. Wundt und

H. Maier in der Phantasie, ein Starbuck, James... zahlreiche Moderne im

Unterbewußtsein. Andere ... wählen Kombinationen der genannten Auffassun-

gen

2

.“ Gruehn selbst bestimmt mit K. Girgensohn „vom Werterlebnis her“

3

das Religiöse als einen „synthetischen Akt..., in welchem Gedanke und Ich-

funktion zu unlösbarer Einheit verschmolzen sind“

4

.

Wir müssen gegen alle derartigen, heute üblichen Versuche einwenden, daß

das religiöse Bewußtsein grundsätzlich nichts Abgeleitetes und daher auch keine

nachträgliche „Synthese“ ist. Es leitet sich also auch nicht aus / einem „Ge-

danken“ und der „Ichfunktion“ ab. Vielmehr gilt es, das U n m i t t e l b a r e

in der inneren Erfahrung der Andacht, im religiösen Bewußtsein überhaupt,

auf das jede tiefere Beobachtung immer wieder stößt, zu bezeichnen. Nun ist

die tiefere Zergliederung der Seelenlehre (aller Religionsfeindlichkeit aufkläre-

rischer Forscher zum Trotz) gewiß immer wieder auf das Metaphysische als ein

Ursprüngliches im Bewußtsein gestoßen — a b e r d i e B e g r i f f s m i t t e l

d e r b i s h e r i g e n S e e l e n l e h r e e r m ö g l i c h t e n e s n i c h t , es an-

ders denn als „Gefühl“ oder „Gedanke“, „Wunsch“ usf. zu bestimmen; womit

es unvermeidlich in ein Abgeleitetes verwandelt wurde. Dagegen läßt sich das

1

Siehe oben S. 23.

2

Werner Gruehn: Religionspsychologie, Breslau 1926, S. 42.

3

Ebenda, S. 42.

4

Ebenda, S. 43.