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B. Heinrich von Thünen
Jene beiden Forscher, von denen die größere Selbständigkeit
der deutschen Wirtschaftswissenschaft erst stammt, sind Thünen
und List. Beide, obzwar bewußter philosophischer Grundlage ent-
behrend, sind dem individualistischen Staatsbegriff abgewandt und
von organischer, universalistischer Auffassung beherrscht.
1.
D a r s t e l l u n g
J o h a n n H e i n r i c h v o n T h ü n e n , 1783 als Sohn eines Guts-
besitzers in Oldenburg geboren, verdankte trotz kurzen Besuches der
Universität Göttingen seine wissenschaftliche Bildung, welche von der
Philosophie des deutschen Idealismus mit bestimmt wurde, eigenem Stu-
dium. 1810 erwarb er das Gut Tellow bei Rostock, wo er eine Muster-
wirtschaft mit Gewinnbeteiligung führte und 1850 starb.
/Hauptwerk: Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und
Nationalökonomie. I: Untersuchungen über den Einfluß, den die Ge-
treidepreise, der Reichtum des Bodens und die Abgaben auf den Acker-
bau ausüben. (Hamburg 1826), 2. Aufl., Rostock 1842. II: Der naturgemäße
Arbeitslohn und dessen Verhältnis zum Zinsfuß und zur Landrente.
Abt 1: Rostock 1850, Abt 2: Rostock 1863. III: Grundsätze zur Bestim-
mung der Bodenrente, der vorteilhaftesten Umtriebszeit und des Wertes
der Holzbestände von verschiedenem Alter für Kieferwaldungen. Ro-
stock 1863. Neudruck 3. Auflage, Jena 1930 (= Sammlung sozialwissen-
schaftlicher Meister, Bd 13); 4. Auflage, Stuttgart 1966
1
.
a.
Die Landbauarten im isolierten Staat
Die Voraussetzungen, die Thünen zur Untersuchung der Stand-
orte der verschiedenen Systeme der landwirtschaftlichen Erzeugung
machte, sind folgende: „Man denke sich eine sehr große Stadt in
der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen... Die Ebene selbst
bestehe aus einem durchaus gleichen Boden... In großer Entfer-
nung von der Stadt endige sich die Ebene in eine unkultivierte
Wildnis, wodurch dieser Staat von der übrigen Welt gänzlich ge-
trennt wird.“
Es entsteht die Frage, wie sich unter diesen Verhältnissen je
nach der größeren oder geringeren Entfernung von der Stadt, das
ist vom Marktorte, der Ackerbau gestalten würde. Thünen ant-
wortet : Die g r ö ß e r e E n t f e r n u n g v o m M a r k t o r t e
w i r k t w e g e n d e r z u n e h m e n d e n F r a c h t k o s t e n w i e
e i n S i n k e n d e r P r e i s e b e i g l e i c h b l e i b e n d e r E n t -
1
Vgl. Hermann Schumacher: Johann Heinrich von Thünen. Ein For-
scherleben, 2. Aufl., Rostock 1883.