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Wenn dieser Satz nicht gälte, wäre in der Gezweiung nichts wahr.

Die Wahrheit dieses Satzes, des in ihm liegenden Einerleiseins ist

es, was dem Gezweiungsbewußtsein seine Arteigenheit verleiht

und es zu einer Urqualität des Geistes macht: Liebe ist Identitäts-

bewußtsein in der reinen Gezweiung. Im Falle der Unvollkommen-

heit allerdings verbildet es sich in Fremdheit, Zerrissenheit, Haß

(davon ist aber erst später zu reden).

In der Natur der Liebe als Ausdruck wirklicher Einerleiheit der

Gezweiten ist die Hingebung begründet, die in ihr liegt. Denn

Einerleiheit kann nur erlebt werden, wenn die Eigenständigkeit

aufgegeben wird. Darum kann das Gezweiungsbewußtsein mit Fug

auch das hingebende Bewußtsein genannt werden. Die Hingebung

in jeder Art von Liebe, Neigung, Freundschaft, Zutrauen ist keine

Selbsttäuschung, sondern Wahrheit — bei gleichzeitiger Aufrecht-

erhaltung der eigenen Selbstheit. Die ganzheitliche Kategorienlehre

macht dies erst völlig verständlich. Denn das Sein jedes Gliedes ist

ein zweifaches: Das Glied ist einmal durch seine eigenen Eigen-

schaften bestimmt und in dieser Hinsicht sich selbst gleich (mit sich

identisch, Selbgleichheit); es besteht aber gleichzeitig noch einmal

im ausgliedernden Ganzen, / in dem es rückverbunden ist — die

Selbfremdheit

1

. S e l b g l e i c h h e i t u n d S e l b f r e m d h e i t

s i n d g e g e n s e i t i g . Das des Andern innewerdende, das hin-

gebende Bewußtsein geht auf das Sein des Gliedes im Andern, in

der Ganzheit (Selbfremdheit); das seiner selbst innewerdende und

sich behauptende Bewußtsein, das Ichbewußtsein, gründet sich auf

der gleichzeitigen Einerleiheit mit sich selbst. Erst das hingebende

Bewußtsein bricht das kalte Eis der eigenen Ichbefangenheit.

Die Gliedhaftigkeit des subjektiven Geistes und der Satz „Ich

bin auch der Andere“ erklärt uns zugleich die höchste Eigenschaft

der Liebe: die S p r e n g u n g d e s e i g e n e n I c h . Das die

eigene Person Überschreitende (Transzendierende), das Überpersön-

liche in der Liebe ist es, was uns über uns selbst erhebt.

Alles Überschreitende, Transzendierende gibt aber der Empfin-

dung zuletzt ein m e t a p h y s i s c h e s Gepräge. Alle Liebe hat

darum im Tiefsten metaphysische Art an sich. Indem uns das Inne-

1

Vgl. Kategorienlehre, Jena 1924, S. 218 ff., 226 ff. und 288 f. [2. Aufl.,

Jena 1939, S. 232 ff., 240 ff. und 301].