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u n d G e d u l d g e g e n a n d e r e / keine ersten, sondern ab-

geleitete Vollkommenheitsformen, die erst als Antwort auf Unvoll-

kommenheiten nötig sind. Geduld ist die Schwester der Liebe. Aber

sie erscheint erst, wenn die reine Gezweiung bedroht und zu be-

schützen ist.

Der Großherzigkeit verschwistert, dem Neide entgegengesetzt, ist

E h r f u r c h t . Die Selbstlosigkeit, das Größere zu verehren, in

Gezweiung daran dienend (und das heißt mitschaffend) teilzuneh-

men, bringt der Mensch schwer auf. Nur wer die innere Fruchtbar-

keit des Höheren verspürt, ewig neue Sehnsucht nach Schöpfertum

in sich hat, dem Ganzen zustrebt, vermag dem großen Genius zu

huldigen.

Vollkommenheitsformen, die sich im besonderen der Eitelkeit,

Wertentlehnung, Streberei entgegensetzen, sind: E i n f a c h h e i t

u n d S c h l i c h t h e i t , B e s c h e i d e n h e i t u n d D e m u t ,

in denen vornehmlich das Genügefinden in der eigenen Glied-

stellung zum Ausdrucke kommt

1

. Das Genügefinden darf allerdings

weder in Erlahmen inneren Schöpfertums und Höherstrebens noch

auch in Mangel an Selbstvertrauen ausarten. Da gilt vielmehr Goe-

thes Wort: „Nur die Lumpe sind bescheiden, Brave freuen sich der

Tat.“ F r e u d e a n s i c h s e l b s t ist gemeinschaftsfördernd

und zugleich persönlich fruchtbar.

Eine Vollkommenheit der Stetigkeit in der Gemeinschaft ist die

T r e u e , im Falle empfangender Stellung die D a n k b a r k e i t

2

.

Der Dankbarkeit als der Kunst zu nehmen entspricht aber auch die

K u n s t z u g e b e n . Der Zartsinn gebietet, dem Andern nicht

zu viel zu geben, das heißt nicht mehr, als er an innerer Verpflich-

tung ertragen kann; auch nicht mehr, als er zu schätzen und zu nüt-

zen weiß („Man soll die Perlen nicht vor die Säue werfen“). Die

Welt lehrt uns bei alledem, auf Dankbarkeit nicht zu rechnen. Auch

das gehört zur Kunst zu geben.

/

Auch die K u n s t d e r G e s p r ä c h f ü h r u n g u n d G e -

s e l l i g k e i t gehört dem Gezweiungsbewußtsein an, vor allem

soweit sie darauf beruht, den Andern zum Reden, zur Entfaltung

1

Über Einfachheit als Gegensatz zur Üppigkeit siehe oben S. 49, unten S. 107.

2

Siehe oben S. 49.