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Die Eingebung der Zauberglöckchen-Musik bedarf zur Ausarbei-
tung kontrapunktischer Kenntnisse, die nun werkzeuglich zur Ver-
arbeitung herangezogen werden, daher als „Vorstellungsmassen“
bezeichnet werden können, deren sich der Erfinder bedient. —
Beim Erfassen der Eingebung geschieht demnach nichts anderes,
als daß die sinnlichen Teile mitherangezogen, im Begriffe mitvor-
gestellt; beim Ausbaue des Begriffes nichts anderes, / als daß sie
vermehrt werden. Aber dieses Mitvorstellen der sinnlichen Bestand-
teile ist noch keineswegs der Begriff selbst, wie der Empirismus
fälschlich behauptet.
Fassen wir alles zusammen, so ergibt sich als das Wesentliche des
Begriffes
1
:
1.
Die Eingebung, und zwar bereits als G e g e n s t a n d gefaßt,
das heißt dem Geiste entgegengestellt.
2.
Dieser Gegenstand ist als erst noch unterzugliedernder ein Ge-
samtgegenstand gegenüber den Teilgegenständen, in die er zu zer-
legen ist. Er erscheint daher in diesem Sinne als A l l g e m e i n e s
(seinen eigenen Besonderungen gegenüber). Allgemeines ist der
Gegenstand demnach als h ö h e r e G a n z h e i t , nämlich im Hin-
blick auf seine eigenen Unterganzheiten. Er erscheint als I n d i -
v i d u e l l e s , sofern die Ganzheit selbst wieder Höheres über sich
hat, also Unterglied ist.
Ist der Gesamtinhalt der Eingebung (des Gegenstandes) demnach in Un-
t e r g e g e n s t ä n d e , Unterbegriffe zu gliedern, so ist der Inhalt des Be-
griffes also auch nicht, wie der Empirismus behauptet, eine bloße „Summe“ der
vielen Dingen „gemeinsamen“ Merkmale; vielmehr ist er aus der sinnvollen
Gliedhaftigkeit des Gegenstandes zu entwickeln. Das Allgemeine ist daher in
Wahrheit auch nicht das an Merkmalen Arme; endlich auch nicht das Unindivi-
duelle, sondern es ist die höhere Ganzheit. Und die Individualbegriffe (Unter-
begriffe) sind eben darum gleichfalls nicht durch einen „größeren Reichtum von
Merkmalen“ zu bilden, sondern sie tragen das Allgemeine, die „gemeinsamen
Merkmale“ vieler Dinge, von ihrem Enthaltensein in der höheren Ganzheit her
in sich
2
.
Die Untergliederung des Gesamtgegenstandes in Teilgegenstände
vorzunehmen, ist die Aufgabe des verarbeitenden oder diskursiven
Denkens, richtig auch „reflexives“ Denken genannt, zum Unter-
1
Mehr darüber in meinem Aufsatze: Zur Grundlegung einer ganzheitlichen
Logik, in: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934, S. 159 ff.
2
Vgl. unten S. 72 f.