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ja Unterbrechungen verlaufen. Warum gerade Abschweifungen und

Unterbrechungen? Weil das Denken mit der Eingebung beginnt,

diese aber auf Sammlung beruht

1

. Daher ist das Festhalten der

Eingebungsgrundlagen, zuerst des Hauptgedankens, dann der im

Verlaufe der Ausarbeitung und der mit den systematischen Ver-

bindungen auftauchenden Nebengedanken; ferner die Schöpfung

neuer Hilfseingebungen (ohne neue Einfälle kein Fortgang des

Denkens) eine wahrhaft schwierige Aufgabe, die nur ein gesammel-

ter Geist zu lösen vermag. Darum das Sprunghafte in den wirk-

lichen Denkvorgängen, z. B. das Aufschauen von der Arbeit, das

Ins-Leere-Starren, sich an andere Dinge Verlieren, welches den

Denker so oft aus seiner Versunkenheit herausreißt; oder das

Abbrechen der ganzen Arbeit auf längere Zeit, bis sich die er-

sehnte ergänzende Eingebung einstellen will.

Weil ferner Eingebungen und Hilfseingebungen nicht unauf-

hörlich kommen, begreift sich daraus das Rhythmische, Unter-

brochene, U n s t e t i g e , das allem Denken, dem schöpferischen

wie verarbeitenden, zukommt: Es ist kein steter „Fluß des Bewußt-

seins“ („Periodizität“, darüber später).

Alle F e h l e r d e s D e n k e n s gehen auf jenes Abschweifen,

Nichtfesthalten der Eingebung, Nichtversunkenbleiben in sie zu-

rück — andere Fehler des untergliedernden Denkens als die ge-

nannten, die sich ja sämtlich zuletzt um das Festhalten der Ein-

gebung drehen, gibt es nicht, denn die Eingebung selbst trügt nicht.

Sie ist unbedingt und aus höherer Notwendigkeit richtig, ein

Satz, der heute wohl befremden mag, aber von jedermann, der

denken kann, selbst zu erfahren ist. Unrichtig kann / die Ein-

gebung an sich selbst nie sein; dagegen kann a) schon die erste

Fassung der Eingebung, das heißt ihre erste Einkleidung in Vor-

stellungen und Worte, fehlerhaft sein, da sie notwendig schon eine

Deutung, schon eine Einrückung in die Begriffswelt des jeweiligen

Denkers enthält; b) ist auch die Eingebung richtig gefaßt, so droht

noch die weitere Gefahr, bei ihrer Untergliederung zum durchge-

bildeten Begriffe und bei dessen notwendiger Verbindung mit

anderen Begriffen die Eingebungsgrundlage nicht rein festzuhalten;

ferner c) kann es an den ergänzenden Hilfseingebungen fehlen, wo-

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Siehe oben S. 65.