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Die „bejahende“ und „verneinende“ Eigenschaft des Urteils gehen auf Gliederung

und Entgliederung, Bindung und Lösung.

Der

Schluß

erweist sich ebenfalls als eine Tat der Untergliederung, aber als

solche, die sich aus mehreren vorangegangenen Gliederungen (Unterteilungen)

erst ergibt, kurz gesagt als eine Tat der F o r t g l i e d e r u n g . Da jede

Fortgliederung von den jeweils vorgegebenen Anfangsgliederungen oder Anfangs-

ganzheiten (Gesamtganzheiten) ausgehen muß, ist es verständlich, daß der Schluß

ebensowohl an bestimmte Voraussetzungen, Anfangsgliederungen ( P r ä m i s s e n )

gebunden ist, wie er eine bestimmte Folge-Gliederung ( K o n k l u s i o n ) setzt.

Eine solche Aufeinanderfolge von Schlüssen, welche den Gliederbau der Ganz-

heiten als Stockwerkbau von Gattungen und Arten darstellt, wird als

Einteilung

bezeichnet.

/

Den Vorrang unter all diesen Formen hat der Begriff (das Begriffsgebäude),

denn er ist die Ganzheit, der Gliederbau, welcher alle Gliederungsformen und

Gliederungsvorgänge in sich schließt.

Hinsichtlich des

Verfahrens

ergab sich bereits, daß der Fortgang der Unter-

gliederung: Zerlegung, das heißt A n a l y s i s , ist, während das Zurückschreiten

von den unteren Gliedern zu den höheren Ganzheiten: Wiederaufbau oder

S y n t h e s i s ist. Damit sind die Hauptverfahren der formalen Logik, Analysis

und Synthesis, in ihrem Wesen verstanden. Dagegen ergibt sich, daß die In-

d u k t i o n in Wahrheit kein Verfahren des Denkfortganges ist. In Wahrheit

wird auch in der Naturforschung dem Forscher nicht durch Häufung vieler Fälle,

sondern an einem einzelnen Falle das Wesen der Sache klar. Das heißt aber: dem

Forscher kommt eine Eingebung, welche mit einem Schlage alle zugehörigen

Fälle erklärt und die Grundlage der Begriffsbildung darbietet. Auch der natur-

wissenschaftliche V e r s u c h kann nicht ohne vorherige Theorie angestellt

werden. Was „Induktion“ genannt wird, ist im besten Falle eine Vorübung zur

Erlangung einer Eingebung, was dagegen „D e d u k t i o n“, eine fortschreitende

Untergliederung, die ohne neue Erfahrungen vorgenommen werden kann (näm-

lich aus der Analyse des Begriffes allein, jedoch nicht ohne synthetische Taten

des Geistes, die in dieser Analyse liegen

1

).

Klar sprach den Grundgedanken schon der Pythagoreer A r c h y t a s aus:

„Wenn jemand vermöchte, alle Gattungen (

γένεα

) in ein und dasselbe Prinzip

(

άρχή

)

aufzulösen (

άναλύοαι

) und daraus wieder zusammenzusetzen und zu

fügen

(

αυνθειναι

καί

ουναρθμησασθαι

)

, so erscheint er mir als der Weiseste

und als teilhaft aller Wahrheit und als Inhaber einer Warte, von der aus er Gott

erkennen kann und alle Dinge, wie dieser sie nach Gegensätzen und Ordnungen

(

έν τά συστοιχία καί τάξει

)

gegliedert hat

2

.“

Zusatz über Assoziation und Denken. Denken und Gewohnheit

Vom Standpunkte der herrschenden Schulen aus könnte man ein-

wenden, daß in unserer Ableitung des Denkens die Besonderheit

1

Siehe oben S. 67 ff.

2

Angeführt bei Otto Willmann: Philosophische Propädeutik, Teil 1 (Logik),

Freiburg 1912, S. 12. Weiters über Denklehre siehe unten, S. 89 ff., im Ver-

gleiche zur Gestaltenlehre (Ästhetik).