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strengem Sinne bestimmt ist. Denn die Ideenflucht zeigt deutlich Vorstellungs-

reihen und Bilder, die der Denkende zum Teil nicht mehr in seiner Gewalt hat,

die ihm nämlich geradezu Z w a n g antun — also nicht von dem Gesetze der

Abfolge (Berührung), das sie ja verscheuchen müßte, gelenkt werden. Schließlich

werden sie zu Z w a n g s v o r s t e l l u n g e n und damit geht Ideenflucht ins

Irresein über. Nicht einmal das Denken des Irren ist also mit mechanischer

Notwendigkeit von Assoziationsgesetzen bestimmt, selbst in ihm sind noch

Spuren freier, mit ganzheitlichen Umgliederungen zusammenhängender Lenkung

des Vorstellungslaufes vorhanden.

A l l e s D e n k e n b e r u h t a u f d e r F r e i h e i t d e r W e c k u n g

u n d A u s s c h l i e ß u n g a l t e r G e d a n k e n b e i d e r B i l d u n g n e u e r

G e d a n k e n , die ihrerseits auf Grund von neuen Eingebungen erfolgt. Und

diese Freiheit beruht wieder darauf, daß in der Eingebung wie Verarbeitung

ganzheitlich-sinnvolle Zusammenhänge weiterverfolgt werden. Denn alles Denken

ist ausgliedernd.

/

Um weiterhin das grundsätzlich Irrige aller Assoziationslehren zu ermessen,

sind folgende, in allen unseren bisherigen Darlegungen begründeten Sätze zu

beherzigen:

1. W e s e n s g e m ä ß geht alles Denken von gegebenen Gliederungen zu

feineren Untergliederungen fort; oder es geht zu neuen Eingebungen und von

da wieder zu neuen Untergliederungen fort.

2.

V e r f a l l s g e m ä ß geht alles Denken von Gliederungen zu Entgliede-

rungen fort, also vom richtigen Denken mit freier Selbstsetzungskraft zu asso-

ziationsähnlichen Abschweifungen, schließlich zu Ideenflucht und Irrsinn.

3.

Jeder Begriff ist von vielfacher Gliedhaftigkeit, das heißt, er ist in vielen

Begriffszusammenhängen (Gegenständen, Ganzheiten) gleichzeitig enthalten, und

zwar in verschiedener Weise.

Es sei erlaubt, angesichts der tief eingewurzelten Gewohnheit, im Denken

Assoziationen am Werke zu sehen, nochmals auf die früheren Beispiele zurüdc-

zukommen

1

. Wer an den Blitz denkt, so sagt die Assoziationslehre, müsse auch

an den Donner denken, weil in der Sinneserfahrung beide Eindrücke beisammen

waren. Wir machten bereits geltend, daß, so unleugbar es scheint, diese Be-

hauptung dennoch an der Oberfläche bleibt. Denn das „Denken“ wäre hier in

Wahrheit kein Denken, sondern a) entweder künstlerische Gestaltung oder

b) die Wiederholung (Reproduktion) eines als G a n z e s aufgefaßten Erlebnisses

in der Erinnerung (das also dann aus dem Ganzheitszusammenhange sinnvoll,

nicht mechanisch, wiederholt wird); oder es wäre c) der Anfang einer in

„Ideenflucht“ ausartenden Entgliederung des Denkens, welches jeweils durch

A u s g 1 i e d e r u n g s e r f o r d e r n i s s e

a n d e r e r

G e i s t e s i n h a 1 t e

(hier derjenigen, die Blitz und Donner als Ganzheit aufzufassen gebieten) ge-

stört wird. D e n k e n wir aber „Blitz“, so sind wir beschäftigt, seinen Be-

g r i f f zu bilden (und ein anderes als b e g r i f f l i c h e s Denken gibt es ja

1

Wir wiederholen auch, daß nur die Berührungsassoziation echte Assozia-

tion sei, die Ähnlichkeitsassoziation dagegen nicht mehr, denn sie fordert schon

einen sinnvoll-sachlichen Zusammenhang, schon ganzheitliche Gliederung. Oft

wird allerdings die Berührung (Reihung) auch keine zufällige sein, sondern zu-

gleich dem Wesenszusammenhange angehören.