Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6232 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6232 / 9133 Next Page
Page Background

78

[84/85/86]

nicht). Bilden wir nun den Begriff des Blitzes, z. B. aus dem Wesen der Elektri- /

zität, der Spannung usf., dann wird gerade alles nur (geschichtlich) Mitemp-

fundene ausgeschieden, also nicht nach Assoziationsgesetzen, sondern das Merk-

mal „Donner“ rein nach den sachlichen Erfordernissen behandelt und lediglich

diesen zufolge entweder mitgedacht oder nicht.

Ein anderes Beispiel: Wer an einem Hause vorübergeht und sich erinnert,

daß er vor einem Jahre ebenfalls vorbeigegangen sei, was sich damals zuge-

tragen habe usw. — der soll angeblich assoziativ denken. Auch hier gilt in

Wahrheit: a) er denkt noch nicht, er erinnert sich bloß, und zwar an ein Ge-

samterlebnis; b) ginge er von der Erinnerung (Wiedererzeugung) des Gesamt-

erlebnisses ab, so wäre auch diese Störung nicht durch „assoziative Reproduk-

tionstendenzen“, also nicht gesetzmäßig bestimmt, sondern aus den S a c h -

e r f o r d e r n i s s e n a n d e r e r g e i s t i g e r G a n z h e i t e n , welche jene

erste Ganzheit stören. In keinem Fall liegt hier ein „Gesetz“ der geschichtlichen

Abfolge der Vorstellungsverbindungen vor, sondern in Wahrheit nur ganz-

heitlich bestimmte Abfolgen. Denn der Vorübergehende könnte je nach den

Ausgliederungserfordernissen seiner Geistesinhalte auch anderes zur Erinnerung

bringen, z. B. die Preise der Dachziegel. Sobald er aber zu d e n k e n beginnt,

stellt sich 1. eine Eingebung ein und 2. gliedert, verarbeitet, ordnet, betrachtet

er das in der Eingebung Empfangene. Ihm fällt dabei vielleicht die Vergänglich-

keit der Zeiten ein (Eingebung), es überkommt ihn, wie damalige Freuden

und Schmerzen vergangen, was nun davon übrig und dauerhaft geblieben sei

(Eingebung) usw.; er kann eine ganze Philosophie darauf bauen (verarbeitendes

Denken), indem er nämlich das Wesen der Vergänglichkeit in seinen Teilen und

Auswirkungen weiter bestimmt. Der D e n k e n d e m u ß a b e r d i e s e s

G e d a n k e n g e b ä u d e

n a c h d e n o b j e k t i v e n

S a c h e r f o r d e r -

n i s s e n d e s G r u n d b e g r i f f e s g e s t a l t e n (hier der Vergänglichkeit).

Und der Grundbegriff selbst wieder (die Vergänglichkeit) muß sich nach dem

inneren Gehalte der Eingebung richten. So subjektiv also auch der Anlaß

seines Denkens gewesen sei, so sehr er auch mit der Geschichte der Vorstellung,

dem Hause, verbunden sein mag — mit der „Assoziation“ von Vorstellungen nach

dem „Gesetze der Berührung“ hat das richtige Denken gar nichts zu tun. Nicht

einmal die Erinnerung vermag dem geschichtlichen Verlaufe ungewollt zu folgen,

von einem strengen Gesetze der Berührung kann auch im Erinnerungsverlaufe

keine Rede sein. Das D e n k e n vollzieht sich nicht im Rahmen der wieder-

erinnerten Vorstellungen, sondern beruht auf dem Empfangen einer Einge-

bung und deren untergliedernder, in freier Setzung vollzogener Verarbeitung (mit

Hilfe der Erinnerung).

/

Vom Anfang bis zum Ende ist schöpferische Tätigkeit, ist die freie Macht

des Subjektes, seine Denkelemente zu erwecken oder auszuschließen und der Ein-

gebung dienstbar zu machen, das Merkzeichen des Denkens.

Wenn die Freiheit der Setzung und Ausschließung den Sacherfordernissen der

gedachten Ganzheiten, die im Eingebungsgrunde beschlossen sind, entspricht,

dann entsteht

wahres,

wenn nicht,

unwahres Denken.

Hieraus verstehen wir die Unfähigkeit der Assoziations- wie auch der

Denkpsychologie, wahres und unwahres Denken zu trennen. Der Assoziations-

psychologie steht das Mechanische im Wege. Da sie zwischen Vorstellen und

Denken nicht unterscheiden kann, vermag sie auch wahres Denken nicht zu

erklären. Die Assoziationspsychologie widerspricht sich auch selbst, schon sofern

sie dem Berührungsgesetz das Ähnlichkeitsgesetz (das doch immerhin auf sinn-

volle Sacherfordernisse geht) hinzufügt; ja sogar insofern sie trotz des e i n -