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An dieser Stelle sollte nur ein Hinweis auf das Wesen der Begabung die

Bedeutung der Eingebung ins Licht rücken. Weiteres über Begabungslehre, die

auf alle Stufen und Teilinhalte Rücksicht nehmen muß, siehe unten

1

.

7.

Wissen und Gemüt

Hegel machte sich’s einfach, indem er gegen Schelling sagte, die

Wissenschaft habe zu belehren und nicht zu erbauen

2

. Gewiß!

Handelt es sich aber nicht auch darum, ob das durch Belehrung

Gewußte das Gemüt bilden könne? — und in welchem Verhält-

nisse das Wissen überhaupt zum Gemüte, damit aber auch zur

Gemeinschaft und ihrer Wahrheit stehe?

Die alte aufklärerische Meinung, daß der Gedanke nichts anderes

sei als das zur Klarheit der Vorstellung erhobene „dunkle Gefühl“,

woraus auch folge, daß das Gefühl „durch die Reflexion zerstört“

werde, diese auch neuestens wieder verkündete Meinung ist grund-

sätzlich falsch. Das Denken ist nicht Gefühlsklärung, Vorstellung,

sondern eine a r t e i g e n e Setzungstat des Geistes, darin be-

stehend, daß das eingebungsmäßig Gewußte als Gegenstand gefaßt

und erst dadurch zum Begriffe wird. Das „Gefühl“ ist also nicht

das Dunkle, welches, wenn durchleuchtet, sich im Gedanken auf-

löst. Die Regungen des Gemütes, wie sie im Gezweiungsbewußtsein

wach werden (und sie vor allem verdienen den Namen des „Ge-

fühls“

3

), haben / ihren eigenen Standort, ihre eigene Natur. Und

sie bleiben daher, was sie sind, auch wenn sie vom gegenständlichen

Bewußtsein erfaßt, also g e d a c h t , auch wenn sie vom gestalten-

den Bewußtsein dargestellt und endlich vom wollenden und han-

delnden Bewußtsein zum Ziele für die äußere Verwirklichung

gemacht werden. Dasselbe gilt von den religiös-metaphysischen Ge-

mütsregungen und von jenen der Sinnlichkeit. Das Durchdenken

der eigenen Gemütsregungen bedeutet daher grundsätzlich ihre

Eingliederung und Verarbeitung in die übrigen Bewußtseinsstufen,

keineswegs aber ihre Vernichtung als Gemütsregungen, als „Ge-

fühle“.

1

Weiteres über die Eingebung S. 85 f., 87 f., 97 ff., 112, 128 f. und öfter.

2

Hegel: Phänomenologie des Geistes, Vorrede, Sämtliche Werke, hrsg. v.

Hermann Glockner, Bd 2, Stuttgart 1927, S. 17.

3

Vgl. oben S. 43 ff. und 45 ff.