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Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,

Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,

Mit Stürmen mich herumzuschlagen

Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.

1. Verhältnis zur herkömmlichen Einteilung

Mit unserer Begriffsbestimmung des Wollens und Wirkens als nachgeordneter

Geistesstufe befinden wir uns zur herkömmlichen Einteilung der geistigen Er-

scheinungen in „ V o r s t e l l u n g , G e f ü h l u n d W i l l e “ im Gegensatze.

Einerseits gibt die herkömmliche Einteilung dem Willen eine viel zu große Stel-

lung. Unterscheidet man nämlich nur einen Willen im allgemeinen ohne innere

Geistesstufen, dann müßte ja auch der Wille zum Glauben, Lieben, Denken,

Gestalten usw. „Wille“ sein, also alle / Selbstsetzungstätigkeit überhaupt. Dann

könnten aber Glauben, Lieben, Wissen, Kunst vom Wollen nicht getrennt werden.

In Wahrheit ist nur jene Setzungstätigkeit Wille, welche auf die ä u ß e r e

V e r w i r k l i c h u n g eines Zieles geht, also Setzungstätigkeit auf arteigener

Stufe ist.

Während so der Empirismus einerseits den Willensbegriff weit über Gebühr

ausdehnt, führt er andrerseits zu dem Paradoxon, ein Arteigenes des Willens

schließlich überhaupt nicht anerkennen zu können. Denn der Wille muß ihm

zuletzt als „ R e s u l t a n t e d e r M o t i v e “ , nämlich von deren Lust- und

Unlustgewichten erscheinen (Determinismus). Der Determinismus muß daher

sagen: „Es“ will, „es“ handelt in mir, „es“ denkt, „es“ gestaltet in mir (statt

„ich“ will usw.). So sagt seit Hume folgerichtig die gesamte Lehre von der

Assoziationsmechanik, sagt folgerichtig jeder Empirismus. In unserer Begriffs-

bestimmung kommt dagegen sowohl das Arteigene, Selbständige, wie auch das

Abgeleitete, Abhängige des Willens zur Geltung

1

.

A. W i l l e n s f r e i h e i t

Dem Arteigenen des Willens entspricht seine verhältnismäßige

Selbständigkeit, die Vita propria, die W i l l e n s f r e i h e i t und,

was dasselbe ist, Handlungsfreiheit; dem A b h ä n g i g e n ent-

spricht es, daß jedes Wollen und Handeln eines Menschen an das

Vorgeordnete, an die eigene innere Geistesentwicklung als an eine

Voraussetzung gebunden sei. Auf die Frage der Willensfreiheit und

der Freiheit des menschlichen Geistes überhaupt sowie der damit

zusammenhängenden des G e w i s s e n s werden wir noch später

stoßen. An dieser Stelle ist es die Hauptaufgabe, Wollen und Han-

deln im Rahmen der Ausgliederungsordnung zu erklären

2

.

1

Darüber mehr unten S. 215 ff.

2

Vgl. unten S. 133 ff. und öfter.