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wirklichung, führt daher schließlich zu seiner Schwächung und Er-
schlaffung. „Nichts hat mehr Ähnlichkeit mit dem Tode als der
Müßiggang“, sagte Friedrich der Große.
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Das Gegenteil des Entladenden und Befreienden liegt in dem, was
das Voraneilen der Tat oder die O h n m a c h t d e s H e r z e n s
ist. Weil nämlich alles Wollen Vorgeordnetes zu verwirklichen hat,
kann es auch den Fehler begehen, ein innerlich noch nicht Erreichtes
schon durch Handeln zu verwirklichen — aus bloßer S u c h t , lee-
rem Wollen um des Wollens willen! Sucht ist leeres Wollen, dem das
Gleichgewicht des Vorgeordneten mangelt. Eine künstlerische Ein-
gebung, die man noch nicht hat, sondern nur halb erträumt, ein
Wissen, das man noch nicht besitzt, sondern nur halb errät, eine
Liebe, die noch nicht lebt, sondern nur keimt, schon in Tat umset-
zen zu wollen, offenbart den Mangel an innerer Voraussetzung, die
Ohnmacht des Herzens. Faust will den Erdgeist beschwören, den er
innerlich zu fassen ohnmächtig ist: „Du gleichst dem Geist, den du
begreifst — nicht mir!“
B.
In w e l c h e m S i n n e d a s W o l l e n u n d H a n d e l n
d e n n o c h a r t e i g e n e E i n g e b u n g h a b e
In einem bestimmten Sinne gibt es allerdings dennoch eine
arteigene Eingebung des Wollens und Handelns. Sie liegt 1. in der
Begabung für die Arbeitskunst, das heißt im Technischen beim
äußerlich-durchführenden Handeln; und 2. in der Begabung für das
veranstaltende (organisierende) Handeln, deren Schwerpunkt wie-
der in dem Sinne für das jeweils Erreichbare liegt, für die „Kunst
des Möglichen“ (Bismarck) beim politischen oder überhaupt bei
allem veranstaltenden Handeln. Sofern das Handeln die äußere
Verwirklichung eines Zieles ist (nicht die innere des Denkzieles
oder Gestaltungszieles), bedarf es auch ä u ß e r e r M i t t e l , sei
es der werkzeuglichen, sei es der eigenen leiblichen Ausdrucksmit-
tel
1
. Die Kunst des Möglichen nun beruht auf / der Fähigkeit, die
1
Der Begriff des Mittels ist daher für den Begriff des Handelns bedeu-
tungsvoll, doch führt er in die Lehre vom übereinzelnen Geiste. Vgl. mein
Buch: Fundament der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., Jena 1929, S. 22 ff.; Ge-
sellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 377 ff.