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darin liegt ihre Bedeutung. Weil erst im Handeln verborgene In-

nerlichkeit zutage tritt, lernt sich auch der Mensch im Handeln erst

ganz kennen:

Wirke! Nur in seinen Werken

Kann der Mensch sich selbst bemerken.

(Rückert)

/

Das Handeln wird damit zur Selbstbezeugung des Menschen. Es

ist soviel wert, als der Geistesgehalt wert ist, den es an den Tag

bringt. Es bringt damit erst die letzte Entscheidung über das Inner-

ste des menschlichen Daseins.

Da nicht alles Handeln großen Geistesgehalt auswirken kann,

wird es verständlich, daß g l e i c h m ä ß i g e ä u ß e r e A r b e i t

eine bildende und verstetigende Bedeutung für den ganzen Men-

schen habe. In dieser Stetigkeit, Übung und Selbstbezeugung liegt

auch der Segen des B e r u f e s , und das nicht nur für den gewöhn-

lichen, auch für den hochbegabten und sogar für den wahrhaft

schöpferischen Menschen

1

.

Die grundlegende Eigenschaft, daß das Handeln Vorgeordnetes

verwirklicht, erklärt endlich auch eine andere, sonst geheimnisvoll

anmutende Eigenschaft: das E n t l a d e n d e , welches allem Tun

zukommt. Etwas „auswirken“ heißt nicht nur es entfalten, sondern

auch den Geist von jenen inneren Spannungen befreien, die darin

liegen, daß ein Vorgeordnetes zur Verwirklichung im Tun hin-

drängt. Darum so oft die Wendung, die Reue unmittelbar nach der

Tat. Das brachte Schiller in der Braut von Messina

2

zum Aus-

drucke:

Ein andres Antlitz, eh’ sie geschehen,

Ein andres zeigt die vollbrachte Tat.

Mutvoll blickt sie und kühn dir entgegen,

Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen;

Aber ist sie geschehn und begangen,

Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.

Zugleich läßt aber das Entladende, Befreiende des Tuns abermals

erkennen, wie unentbehrlich rechte Tätigkeit für die D i ä t e t i k

d e s G e i s t e s sei. Tatenloses Schwelgen in Liebe, Gedanken und

Gestaltung beraubt den Geist seiner Entfaltung und letzten Ver-

1

Vgl. meine Schrift: Fluch und Segen der Wirtschaft, Jena 1931, S. 21 ff.

2

Schiller: Die Braut von Messina, Zeile 2007 ff.