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Auch sonst bedarf die S t e l l u n g d e s V i e h k r e i s e s einer be-

sonderen Erläuterung. Bis etwa 1914 gab es in Deutschland und Öster-

reich mehr Viehzucht, als den Thünenschen Kreisen entsprach. Ursache

war die Z o l l p o l i t i k , die das Vieh mehr schützte als das Getreide,

d a h e r d e n G e t r e i d e k r e i s h i n a u s t r i e b u n d d e n V i e h -

k r e i s h e r e i n z o g . Das ist volkswirtschaftlich verkehrt, da der Ge-

treidekreis eine höhere Fassungkraft an Bevölkerung hat als der Vieh-

kreis.

Eine Berichtigung erfährt Thünen ferner, wenn man die B e t r i e b s -

g r ö ß e in Betracht zieht. Neuere Erfahrungen bei der Innensiedlung

haben deutlich gezeigt: daß unter sonst gleichen Umständen nicht jede

Betriebsgröße für alle Erzeugnisse gleich leistungsfähig ist. Im allgemei-

nen wird die bäuerliche Betriebsform mehr Vieh, die Großwirtschaft

mehr Getreide auf demselben Boden erzeugen. Der Grundsatz der Ver-

hältnismäßigkeit

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ist folgerichtig von den Betriebsarten auch auf die Be-

triebsgrößen zu übertragen. A u c h d i e B e t r i e b s g r ö ß e n h a b e n

n u r v e r h ä l t n i s m ä ß i g e Ü b e r l e g e n h e i t . Sie würden daher

je nach ihrem Vorherrschen den einen oder anderen Kreis mehr aus-

buchten oder einbuchten, als Thünen vorsieht, und zwar würde der Groß-

betrieb mehr den Forst- und Getreidekreis erweitern, der Kleinbetrieb

mehr den Viehkreis. -— Die nur verhältnismäßige Leistungsfähigkeit der

Betriebsgrößen bedeutet auch eine verschiedene K r i s e n f e s t i g k e i t

d e r B e t r i e b s g r ö ß e n (das heißt verschiedene Umgliederungsfähig-

keit). Größere Eigenversorgung und Arbeitsintensität bedingt geringere

Marktabhängigkeit, macht daher im allgemeinen die bäuerlichen Betriebe

elastischer und das heißt krisenfester als die Großbetriebe — was die

Größe der Kreise ebenfalls beeinflußt.

/

Endlich sind manche der Thünenschen Ableitungen heute durch

t e c h n i s c h e N e u e r u n g e n i m F r a c h t w e s e n in anderem Lichte

zu betrachten. Indem z. B. Milch, Butter, Fleisch, lebendes Vieh, Gemüse

teils durch größere Schnelligkeit des Verkehrs, teils durch neue Erhal-

tungsverfahren nunmehr aus großen und größten Entfernungen geliefert

werden können (z. B. argentinisches Fleisch), sind sie nicht mehr wie zur

Zeit Thünens durchaus an die Erzeugung in bestimmter Entfernung ge-

bunden. So kann heute insbesondere die Erzeugung von Milch zum Ver-

kauf, die früher dem ersten Kreise in marktnahen „Abmelkereien“ Vor-

behalten war, mit der Weidewirtschaft verbunden werden.

ß. All dem gegenüber muß hervorgehoben werden, daß die Thünen-

schen Ableitungen grundsätzlich richtig sind — bis auf den H o l z k r e i s .

Zwar mag Thünens Berechnung gelten: Holz ist nicht so weit verfracht-

bar wie Getreide, aber des Rätsels Lösung liegt meines Erachtens darin,

daß Holz nicht so v i e l f o r t l a u f e n d e n Aufwand an Arbeit und

Kapital verlangt wie Getreide. Bei einem einsam gelegenen Hofe wird

daher das Getreide näher am Hofe bestellt werden als der Wald, da die

Feldarbeiten viel häufiger das Zurücklegen der Entfernung vom Hofe er-

fordern. Auch in Ungarn zeigte sich nach 1918 zwar, daß mitten im Ge-

treideland (dem sogenannten alföld) Baumbestände entstanden, aber nur

auf minderen Böden. — Praktisch steht es so, daß bei uns heute überall

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Siehe oben S. 139.