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nun einmal Bedingung des Kredites ist, die persönlichen Beziehungen zu
Kapitalgebern (die mit ihren bestimmten Wohnsitzen oft genug den Aus-
schlag für den Standort geben) sowie das „ K a p i t a l h ö h e r e r O r d -
n u n g “ , das ja gleichfalls nicht quantifizierbar (weil unverbrauchlich)
ist, und das die Staatsgebiete, die Gaue, die Gemeinden voneinander
scheidet; zweitens aber wird bei jener mathematisch-mechanischen Be-
handlung, wie sie Alfred Weber und seine Nachfolger versuchen, ver-
kannt, daß auch die „Kosten“ nie etwas mechanisch Gegebenes sind, son-
dern (a) von den jeweils zu errichtenden Betrieben, schließlich (b) vom
gesamten Gliederbau der Wirtschaft abhängen (wie denn auch bei Thü-
nen der Gliederbau der gesamten Landwirtschaft vorgegeben ist). Die
W e r t e w i e d i e G ü t e r s i n d s t e t s g e g e n s e i t i g , es gibt keine
isolierten Werte noch Güter. „Arbeits“- und „Verbrauchsorientierung“
haben daher keine eigenen mathematischen Größen, keine eigenen „Ge-
wichte“, weil sie diese vielmehr erst mit dem Gliederbau der Wirtschaft
erhalten, der sich aber selbst erst mit der Errichtung und dem Standorte
der Betriebe gestaltet und entwickelt. — Dies ist auch der Sinn der viel-
berufenen „ g e s c h i c h t l i c h e n E n t w i c k l u n g “ u n d d e r „ g e -
s c h i c h t l i c h e n B e d i n g u n g e n “ d e r S t a n d o r t e , welche
nichts Theoriewidriges enthalten dürfen (also keine anderen Standorte er-
geben dürfen als die Theorie verlangt); soll vielmehr die Theorie richtig
sein, so muß sie die bloß bedingungsweise und mathematisch grundsätz-
lich nicht veranschlagbare Gültigkeit der „Standortfaktoren“ erklären
und verständlich machen. Hamburg z. B. ist nicht durch Meilenzahlen
ein vor anderen günstiger Standort, sondern das besondere Zusammen-
spiel von Ausfuhr-, Einfuhr- und Vertreterfirmen mit Reedereien und
Schiffsmaklern, ferner die daraus sich ergebenden Quellen für Geschäfts-
nachrichten und -Verbindungen (und anderes mehr solcher Art) sind es,
was Hamburg noch heute zum hervorragenden Standorte, z. B. für Ver-
tretungen macht. Wenn daher z. B. eine süddeutsche Fabrik eine Ver-
tretung in Hamburg errichtet, so / sind es n i c h t m a t h e m a t i s c h
f a ß b a r e „ F a k t o r e n“, sondern die schwer ersetzlichen allgemeinen
E i n g l i e d e r u n g b e d i n g u n g e n in die Märkte, die dort gegeben
sind und den Standort der Vertretung bestimmen. „Wo Tauben sind,
fliegen Tauben zu“ — läßt sich das mathematisch fassen? Die „geschicht-
liche Entwicklung“ der Standorte bedeutet demnach nicht etwa eine „Ab-
drängung von der Materialorientierung“ und dergleichen, sondern sie
bedeutet: daß die S t a n d o r t s b e d i n g u n g e n
a l s
s o l c h e
g r u n d s ä t z l i c h n i e m a l s v o r g e g e b e n s i n d , v i e l m e h r
e r s t i n g e s c h i c h t l i c h e r G e g e n s e i t i g k e i t a n e i n a n d e r
e n t w i c k e l t w e r d e n -— durch Einfügung in die schon ausgeglie-
derten Vor- und Nachindustrien, durch Weiterbildung eines gegebenen
Gliederbaues der Wirtschaft überhaupt. Das Räumlich-Geographische ist
nur Vorbedingung, nicht selbst schon Bestandteil der Wirtschaft.
All diese Erwägungen führen immer zu demselben Schlüsse: Es gibt
keine Theorie der „örtlichen Bedingtheit“ der Betriebe oder des geogra-
phischen Standortes, sondern möglich ist nur eine Theorie jener Einglie-
derungsbedingungen, die sich erst örtlich a u s w i r k e n , also örtlich erst
mittelbar bestimmt werden können. Damit ist jede mathematisch-mecha-
nische Fassung der Standortlehre ausgeschlossen.