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hochgelegene Böden sowie Böden in steilen, für Getreide ungünstigen

Lagen vorhanden sind, die sich mehr für Wald eignen, wodurch ein gro-

ßer Teil der Holzerzeugung sichergestellt ist. Alpen, Karpaten, Böhmer-

wald und so fort sind unsere natürlichen Holzlieferer. Auch weltwirt-

schaftlich werden hauptsächlich Böden, die für Getreidebau ungeeignet

sind, z. B. nordische Wälder, herangezogen. Da ferner der Bedarf an

Brennholz immer mehr durch Kohle, Gas, Elektrizität verdrängt wird,

kommt heute gegenüber der Brennholzzone mehr die Bauholzzone in

Betracht als früher.

d.

Thünen und die heutige Standortlehre

Die spätere auf Ricardo eingestellte Wissenschaft beachtete

Thünens Standortlehre nur wenig und bildete namentlich für

das Gewerbe nichts Gleiches.

Die Verurteiler Thünens übersehen, daß der Begriff des Standortes

in der Volkswirtschaftslehre in Wahrheit nie und nimmer ein räum-

licher, ein geographischer sein kann. Bei Thünen ist der Begriff „Entfer-

nung vom Markte“ nicht durch die Meilenzahl, sondern durch den Fracht-

aufwand bestimmt. Was heißt das aber zuletzt? Es bedeutet nicht eigent-

lich ein bloß größenmäßiges „Kosten“-Element, sondern, wenn man es

mit den Augen der ganzheitlichen Wirtschaftslehre ansieht, eine be-

stimmte E i n g l i e d e r u n g s b e d i n g u n g der Einzelwirtschaft in den

gesamten Gliederbau, in den gesamten Verrichtungsplan der landwirt-

schaftlichen Erzeugungszweige; dieser Gliederbau ist als G a n z e s vor-

gegeben, ist als Ganzes stets latent oder tatsächlich vorhanden, und die

Einzelwirtschaft hat auf Grund der Erkenntnis der Wirtschaftselemente

— seien es nun die Frachtkosten oder andere — ihre Eingliederungs-

weise daraus zu folgern und zu bestimmen.

/

Sind aber die Frachtkosten nur ein Anzeiger dafür, wie sich ein be-

stimmter Betrieb an bestimmter Stelle in den Gesamtgliederbau der

Landwirtschaft im „Isolierten Staate“ einzugliedern hat, z. B. ob als

Fruchtwechsel- oder als Feldgraswirtschaft, so bedeuten sie nicht die

Bestimmung einer Örtlichkeit, eines geographischen Standortes, sondern

ein qualitatives Gliedschaftsverhältnis, das erst a b g e l e i t e t e r w e i s e

den räumlichen Stand„ort“ bestimmt, das heißt erst in der räum-

lichen A u s w i r k u n g . — Darum mußten die Versuche Alfred Webers

1

scheitern, die gewerblichen Standorte nach „Rohstofforientierung“, „Ver-

brauchsorientierung“ und „Arbeitsorientierung“ (auf Grund der nach sei-

ner Lehre letzten „Standorts-Faktoren“: „Beförderungskosten und Arbeits-

kosten“) m a t h e m a t i s c h zu bestimmen. Obwohl mathematische Ele-

mente in solchen Untersuchungen verwendbar sind, so können sie nie-

mals, wie in der mathematischen Physik, durchgängig gelten. Faßt man

jene „Orientierungen“ als Ausdruck bestimmter Gliedhaftigkeiten der

Betriebe, so erkennt man leicht: erstens, daß noch andere hinzukommen,

die nicht mathematisch veranschlagt werden können, z. B., da Vertrauen

1

Alfred Weber: Über den Standort der Industrien (1909), 2. Aufl.,

Tübingen 1922.