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Diese Überlegung zeigt wieder, daß die Stellung der Sprache im
Gesamtganzen des Geistes erst vollständig geklärt werden könne,
wenn der Begriff der Ausgliederungsordnung mit ihrem Stufen-
bau und den Vorrangverhältnissen zur Anwendung gelangt. Dann
stellt sich die Sprache als etwas ganz Einzigartiges dar: als ein Ge-
bilde aller Stufen, welches allerdings unmittelbar nur den Stufen
vom Denken bis zur Sinnlichkeit angehört; mittelbar aber selbst
die Stufen des Übersinnlichen und des Gezweiungsbewußtseins
sowie des vervollkommnenden Bewußtseins zum Vorgeordneten
hat.
Weil die Sprache eine so umfassende Einheit der Stufen bildet,
ist sie es, die vornehmlich das Hervortreten der P e r s ö n l i c h -
k e i t des Menschen vermittelt. Aber auch zum Ü b e r p e r s ö n -
l i c h e n der Sprache, dem Volksgeiste, öffnet sich von hier der
Zugang.
Die Sprache ist mehr als bloßes Benennen der Dinge im Sinne des
Zuordnens von Lauten an die Dinge; mehr auch als bloße Mittei-
lung zwischen Mensch und Mensch nach außen hin; sie ist darüber
hinaus noch: die Gestaltung und Versinnlichung der gesamten inne-
ren Welt des Menschen und, da diese in Gezweiung geschieht, auch
eine Angelegenheit der Gattung, etwas Uberindividuelles.
Da die innere geistige Welt aus der Quelle der Dinge geschöpft
ist, so ist die Sprache als Gestaltung der inneren Welt zugleich die
Gestaltung des Wesenhaften der Dinge (der Ideenwelt, wie später
in der Rückverbundenheitslehre zu zeigen sein wird).
Man wird vielleicht einwenden, die Sprachen seien doch so ver-
schieden, wie könnten sie dann aus der Quelle der Dinge ge- /
schöpft sein? Es fragt sich aber, wie weit diese Verschiedenheit im
Kerne reiche? Das möge ein ganz äußerlicher Vergleich lehren. Auf
mechanischem Gebiete z. B. können ganz verschiedene Bewegungs-
maschinen, eine Mühle, eine Dampfmaschine, eine Dynamomaschine
das gleiche Ergebnis, die Bewegung, hervorbringen. Was verschlägt
es, daß es auf so verschiedenen Wegen geschah? So auch die Spra-
che: Der Lautbestand und auch das Gefüge mögen sehr weit von-
einander abweichen, schließlich kann die Sprache doch die Gestal-
tung des Wesenhaften, der Gedanken, die im menschlichen Geiste
erweckt werden, erreichen. Jede Sprache hebt denn auch in der
Tat jeweils andere Seiten der Dinge hervor und bleibt so in ihrer