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denken und lieben. Daher ist der Inhalt des „guten oder bösen Willens“ in

zweierlei zu scheiden:

1.

das Gute und Böse des Vorgeordneten;

2.

das Gute und Böse, das darin liegt, dieses Vorgeordnete der Außenwelt

durch Wollen und Handeln einzubilden.

Die berühmten Eingangsworte Kantens aus der „Grundlegung zur Metaphysik

der Sitten“: „Es ist überall nichts in der Welt, was ohne Einschränkung für gut

könnte gehalten werden als allein ein guter Wille“, bedürfen demnach einer

Erläuterung. Der „gute Wille“ kann nur darin bestehen, das Gute des Denkens,

des Gestaltens, des Liebens auch in die Tat umzusetzen, dagegen nicht das böse

Denken, Gestalten, Lieben. Es ist a l s o n i c h t n u r d e r g u t e W i l l e ,

s o n d e r n n o c h m e h r d a s v o r a n g e h e n d e g u t e D e n k e n , G e -

s t a l t e n , L i e b e n w a h r h a f t g u t !

Jenes Urbewußtsein des Menschen, daß das Vollkommene sein

soll, daß das Vollkommene allein das Wesenhafte sei, wird von alters

her G e w i s s e n genannt. Es ist die Grundlage des sittlichen Be-

wußtseins. Diesem kommt insofern eine Sonderstellung gegenüber

den anderen Bewußtseinsstufen zu, als es / seiner Natur nach all-

gemein, daher, wie bemerkt, auf allen Stufen wirksam ist. Keines-

wegs kann es sich nur auf Wollen und Handeln beziehen, wie ins-

besondere durch die Kantische „Kritik der praktischen Vernunft“

fälschlich festgesetzt wurde (denn ihr Sittengebot lautet „ h a n d l e

s o , daß.. .“). Es gibt vielmehr: ein Glaubensgewissen, ein Ge-

zweiungsgewissen, ein wissenschaftliches und künstlerisches Gewis-

sen, ein Beobachtungsgewissen (äußere Sinnlichkeit), ein Trieb-

gewissen und Gesundheitsgewissen (innere Sinnlichkeit) neben

jenem des Wollens und Handelns.

G e w i s s e n , S o l l e n oder P f l i c h t ist keine rein sub-

jektive Erscheinung, als die sie der Empirismus und auch Kant be-

handeln, sondern hat gemäß der Gliedhaftigkeit des Einzelgeistes

im gesellschaftlichen Über-Dir, dem Gesamtgeiste, seine Begrün-

dung: Der subjektiven Pflicht entspricht das objektive G u t .

Daß das Sollen sich im menschlichen Bewußtsein zu regen fähig

ist, ist eine Erscheinung, welche eng mit dem übersinnlichen Be-

wußtsein zusammenhängt. Daher denn auch von jeher mit Recht,

und besonders von Kant, Sittlichkeit und Religion zusammenge-

stellt wurden. Wenn es auch zu weit geht, wie Kant die Religion

von der Sittlichkeit aus zu begründen, da das übersinnliche Bewußt-

sein seine eigene Ursprünglichkeit besitzt, so spricht sich darin

doch richtig der innige Zusammenhang des Sollens und des Über-

sinnlichen aus.