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[208/209/210]

2. die jetzt noch verbleibenden Systeme ganz bestimmte Aufga-

ben haben müssen, denen die Leiblichkeit zu dienen hat; die aus

diesen Aufgaben, Zwecken aber ableitbar sein müssen.

/

Wir beschäftigen uns zunächst mit der ersten Folgerung, dem

Nervensystem. Dieses wird sowohl in seiner mittehaften Form, als

Gehirn, wie in seinen Umkreisen die Aufgabe der Lenkung aller

anderen Systeme haben, sei es nun in der Weise der Aufnahme oder

der Ausführung, der sogenannten Sensibilität und der Mobilität.

Das Nervensystem selbst empfindet aber nicht und bewegt auch

nicht, sondern der Geist selbst empfindet, ja er muß sogar, wie

nachgewiesen

1

, die höheren Geistestätigkeiten zu der bloßen Or-

ganempfindung hinzufügen, um die Empfindung zu einer bewuß-

ten (geistig gestalteten) zu machen. Ebensowenig bewegt das Ner-

vensystem selbst. Der Körper überhaupt bewegt sich so wenig, wie

ein chemischer Bottich sich bewegt, in ihm ist keine planmäßige

Bewegung. Die leibliche Bewegung ist eine geistige Tat, welche der

Geist allerdings ohne leibliches Werkzeug nicht durchführen kann.

Die Bewegung muß im Leibe geschehen, aber nur im belebten,

begeisteten Leibe.

Bekanntlich drängt die herkömmliche Auffassung, der sogar

Carus verfiel, dahin, das Nervensystem (nicht das Herz) als das dem

Geiste nächste aufzufassen

2

. Die genauere Prüfung lehrt aber, daß

das Nervensystem, gerade wenn es das dem Denken am nächsten

stehende Organ ist, nicht auch das lebenbegründende Organ sein

könne. Das leibliche Leben kann nur vom Blute und Herzen begrün-

det werden. Von da aus erst begreift man die leitende Stellung des

Nervensystems. Sie besteht, aber nur innerhalb einer vom Nerven-

system schon v o r a u s g e s e t z t e n M e h r h e i t von Organ-

systemen. Die / Stellung des Nervensystems ist aus dieser nach-

träglichen inneren Oberleitung zu erklären, nicht aber aus erster

Lebensnähe.

1

Siehe oben S. 127.

2

Siehe oben S. 186 f. Einen Vorrang kennt aber die naturwissenschaftliche

Seelenlehre grundsätzlich nicht. Richard Pauli (Psychologisches Praktikum, 3. Aufl.,

Jena 1923, S. 112) sagt z. B. einfach: „Die Atmung wird aufgenommen mittelst

eines Pneumographen, wobei der Versuchsperson Reizworte zugerufen werden“ —

als ob mit einer gelinden Seelenfolter der Geist, noch dazu ungefragt, schon zum

Reden gebracht werden könnte!