[214/215]
193
anderen Organen gemein. Sie besagt nicht, daß sie nicht eigene
Organe wären, was besonders Auge und Ohr mit ihren arteigenen,
feinfügigen und vielfältigen Einrichtungen beweisen, was aber auch
die Haut beweist, die ein dem Blutsystem und der gesamten Kör-
pergestaltung vorzugsweise angehöriges Organ und dennoch Träger
des Tast- und Wärmesinnes ist.
An dieser verhältnismäßigen Selbständigkeit der Sinne zeigt sich
wieder, daß die Nerven nur eine Oberleitung über die Organ-
systeme haben. An sich selbst sind sie keineswegs schon die Sinnes-
organe selber. Ebensowenig wie z. B. die das Herz- und Atmungs-
system versorgenden Nerven selber die Atmung sind.
Von den Sinnesorganen als Gliedern der L e i b l i c h k e i t sind
übrigens streng zu unterscheiden die Sinnesempfindungen als Taten
der G e i s t i g k e i t . Die ersteren nehmen an dem leiblichen
Verrichtungssystem teil, die letzteren an der Innerlichkeit / des
Geistes. Die ersteren bleiben in der Ebene der belebten Stofflichkeit,
nicht anders als alle übrigen Glieder des Leibes, die letzteren gehö-
ren der Ebene des Geistes an, sind unräumlich und unstofflich. (Die
Empfindung „blau“ bringt zwar eine stofflich-räumliche Tatsache
zum Ausdrucke, aber „blau“ selbst ist nur als Empfundenes, als gei-
stige Beschaffenheit zu bestimmen und kann daher demjenigen, der
farbenblind ist, niemals an Stofflichem erklärt werden.)
Die Tatsache, daß die Sinnesorgane die Vorbedingungen einer
g e i s t i g e n Verbindung mit der Außenwelt sind, ist von ent-
scheidender Bedeutung für die Beurteilung ihrer Stellung. Man darf
aber nicht vergessen, daß die Sinnesorgane ausschließlich im Leibli-
chen beharren, also nur Vorbedingungen der Empfindung sind. Die
Sinnes e m p f i n d u n g e n , welche sie vermitteln, gehören nicht
mehr dem Leiblichen an. Aus diesem Grunde kommen die Sinnes-
organe trotz ihrer geistigen Bedeutung nach dem Nervensystem,
sogar nach der Verdauung zu stehen. Denn in letzterer ist nicht die
äußerlich-räumliche, sondern die qualitativ-chemische, also ver-
gleichsweise innerliche Verbindung der Leiblichkeit mit der außen-
weltlichen Stofflichkeit gegeben. Es ist der Leib selbst, der die
äußeren Stoffe in sich aufnimmt, sie sich einverleibt. D i e s e E i n -
V e r l e i h u n g i s t d i e g r ö ß t e , i n n i g s t e T a t d e s
L e i b e s . Zugleich ist sie die Urtatsache aller Leiblichkeit (auch
der pflanzlichen). Man nennt sie „Stoffwechsel“, aber der Wechsel
13 Spann 14