208
[231/232]
gegenständlichung oder Erkenntnis. Hiemit ist der Rationalismus,
welcher der rein dialektischen Geistesauffassung Fichtes (nämlich als
reines Ich-Gegenstand-Verhältnis) noch einwohnt, durchbrochen
und in der Hingabe oder Liebe ein Irrationales, das Enthaltensein
in der Geisteswelt (durch Gezweiung) gesetzt. Während also das
Ich-Gegenstand-Verhältnis das Selbstbewußtsein nur auf das Denken
beschränkt, tritt dagegen in der Gezweiung ursprünglich noch eine
irrationale Grundlegung des Bewußtseins im Hingabeverhältnisse
hinzu, wobei dieses Irrationale den Vorrang hat. Liebe / ist dem
Begriffe nach vor Wissen. Das ganzheitliche Verfahren vermeidet
aber auch (im Gegensatze zu Dialektik und Empirismus), mit der
Sinnesempfindung zu beginnen. Es geht nicht von unten hinauf,
sondern von oben hinunter, beginnt mit Übersinnlichkeit und Ge-
zweiung.
Hiermit ist auch in rein sachlicher Hinsicht ein reicherer Anfang
bei der Begründung des Bewußtseinsbegriffes gemacht als im dia-
lektischen Begriffe der bloßen Selbstobjektivierung als der Natur
des Bewußtseins. Endlich ist auch der reine Formalismus der Dia-
lektik vermieden. Denn an die Stelle der reinen Entgegensetzung
(Ich-Nichtich), die mit dem dialektischen Subjekt-Objekt-Verhält-
nisse gegeben war, tritt nun die Setzung eines Gliederbaues der
Ganzheit, die Ausgliederung. In der Ausgliederung ist aber weniger
entscheidend, daß Unterschiede (Differenzen, welche dialektisch ge-
sehen Gegensätze wären) auftreten; wesentlicher ist, daß die
U n t e r s c h i e d e i n d e n G l i e d e r n n a c h W e i s e d e r
E n t f a l t u n g d e r G a n z h e i t a u f t r e t e n , nämlich als
einander ergänzende, auf Gegenseitigkeit angelegte Unterschiede.
Dasselbe, was im ausgliedernden Vorsein, im Ganzen „als solchem“,
was in den jeweils höheren Stufen und den jeweils vorgeordneten
Teilinhalten eingeschlossen, vorgebildet ist, dasselbe muß in den
nachgeordneten Stufen und Teilinhalten zur Entfaltung gelangen. —
Auch der Begriff des Vorranges, der alle Verhältnisse der Ganzheit
durchleuchtet, ist der Dialektik unerschwinglich (noch mehr dem
Verfahren der mechanischen Ursächlichkeit).
Diese Besinnungen beweisen, daß das ganzheitliche Verfahren
allein jene Begriffsmittel in die Hand gibt, welche den sinnvollen
Gesamtzusammenhang des Gliederbaues geistiger Erscheinungen
aufschließen; ja daß es sogar auch allein diejenigen Begriffsmittel