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Innenleben des Menschen, das, mit Ausnahme der rein metaphysischen Dinge,
nie den einzelnen Menschen allein, sondern stets seine Gliedhaftigkeit in Ge-
zweiungen, die sein Innerstes schafft und bildet, angeht. Das Gemüt muß daher
als eine eigene Ebene, Stufe oder Bewußtseinsform des Menschen verstanden
werden.
Aus all dem folgt, wie sehr das, was man heute „Gefühl“ nennt, auf ganz
andere Erscheinungen aufgeteilt werden müsse.
Endlich müssen wir auch jene Lehre entschieden ablehnen, welche die „Ge-
fühle“ als Grundlage der „Wertungen“ (oder Wertungserlebnisse) erklärt. Grund-
lage der „W e r t e“ und — wenn sie richtig sind — auch der „Wertungen“
(Wertungsakte oder Erlebnisse) sind die Vollkommenheiten der jeweiligen Stu-
fen und Teilinhalte, also der religiösen oder Ge- / zweiungs-, Gestaltungs- usw.
Bewußtseinsstufen. Wertträger ist das V o l l k o m m e n e , welches allerdings
als solches erlebt, erkannt, verstanden werden muß. In der Vollkommenheit liegt
das Gesollte. Die Vollkommenheit muß freilich erst erkannt werden, bevor sie
gewollt werden kann, einfach deswegen, weil Wissen den Vorrang vor Handeln
hat.
C . D e r W i l l e
Ähnliche Bewandtnis wie mit dem „Gefühle“ hat es mit dem Willen. Gibt
es überhaupt den Willen als elementare Grunderscheinung? Gegen alles Her-
kommen müssen wir antworten: Nein, sondern es gibt sehr viele Arten von
„Willen“ — wenn man diesen Ausdruck schon gebrauchen will. Es gibt, um
diesen zuerst zu nennen, einen Willen zum Denken, ein Wille, der ungeheuren
Aufwandes bedarf und der nicht allen Menschen erschwinglich ist. Das folge-
richtige, systematische D u r c h f ü h r e n bestimmter Grundgedanken (Einge-
bungen) ist eine Arbeit, die zwar ganz innerlich bleibt, sich nicht nach außen
wendet, die aber doch auch eine Willensarbeit ist. Es gibt ebenso eine innere
Hinwendung, einen Willen zur künstlerischen Gestaltung, der ungeheuren Auf-
wand verlangt, wie z. B. das Leben Mozarts zeigt; es gibt auch, wenn wir auf
die höheren Stufen zurückgehen, einen Willen zur Entfaltung des übersinnlichen
Bewußtseins; ebenso des Gezweiungsbewußtseins; auf den niederen Stufen dann
im vermittelten Sinne die Aufgabe der Meisterung und Ausbildung der äußeren
wie der inneren Sinnlichkeit.
Überdies gibt es einen Willen im eigentlichen Sinne, denjenigen, der den
gesamten inneren Bestand des Menschen, nämlich des übersinnlichen Bewußtseins,
Gezweiungsbewußtseins, wissenden und gestaltenden sowie sinnlichen Bewußt-
seins als V o r a u s s e t z u n g vor sich hat, ihn als Stoff für seine Zielsetzung
nimmt und dann im Handeln verwirklicht (und der auch, um auch das noch zu
erwähnen, die Ausbildung der Teilinhalte, der Setzungsweisen, z. B. der Samm-
lung, bewerkstelligen kann). Dieser Wille also, welcher im äußeren Handeln
seine Vollendung findet, ist eine einzigartige, ganz bestimmte Erscheinung, eine
Stufe des Geistes, er ist keine grundsätzliche Klasse von Erscheinungen. Faßt
man den Begriff des „Willens“ allgemein, wie bisher üblich, dann wird er zum
bloßen Sammelnamen, der alle Stufen umfaßt und schließlich „Selbstsetzung“
überhaupt bedeutet; faßt man ihn streng und genau, dann beschränkt er sich auf
die Hinauswirkung in die äußere Welt, ist nur Vorstufe des Handelns, mit dem
Handeln untrennbar verbunden.
Über den Begriff des
Unbewußten
siehe unten, Rückverbundenheitslehre. /