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„abnormal“ und verkehrt. Was hingegen den Lebenserfordernissen
des Gliederbaues der Ganzheit gemäß ist, das ist auch das Wesen-
hafte, das Normale. Das Vollkommene ist angesichts tatsächlich
bestehender Unvollkommenheiten das Gesollte.
Aber über den einfachen Gegensatz des Vollkommenen und Un-
vollkommenen hinaus gibt es im geistigen Leben noch nach oben
wie nach unten hin Steigerungen: Das W e s e n s g e m ä ß e (1)
kann sich zur W e s e n s e r h ö h u n g (2) steigern, es kann sich
nach unten hin zur einfachen Fehlausgliederung oder U n v o l l -
k o m m e n h e i t (3), es kann sich aber auch nach unten hin bis
zur V e r k e h r u n g o d e r z u m B ö s e n (4) steigern.
Begreift man den menschlichen Geist als einen Stufenbau des
Höheren und Niederen, dann werden diese Möglichkeiten ver-
ständlich: Der Mensch kann sich zu den höchsten Stufen seines
Wesens emporbilden oder in den niedersten sein Leben verbringen
und diese jeweils in unvollkommener oder in vervollkommter
Form verwirklichen.
Bei der V e r k e h r u n g ins Böse sinkt der Mensch unter die
bloße Unzulänglichkeit, das heißt den wesensgemäßen Ausgliede-
rungsstand seiner Ganzheit, in dem Sinne hinab, daß das Unvoll-
kommene und Niedere gewollt wird. Der Mensch gerät dadurch in
eine dauernde Erniedrigung. Bei der W e s e n s s t e i g e r u n g er-
hebt er sich wenigstens vorübergehend in einen höheren, freieren
Zustand.
Für die Wesenssteigerung geben uns die hohen Seelenzustände der
Mystiker und der großen schöpferischen Menschen / untrügliche
Zeugnisse, für die erniedrigten das entweder vertierte oder zer-
störte Wesen der Unterwelt und der Irrenhäuser.
Von diesen Gesichtspunkten aus ergibt sich eine Neuordnung
und Erweiterung der bisherigen Erscheinungslehre (Phänomeno-
logie) des Geistes. Im folgenden soll nur der Umriß dieser Er-
scheinungslehre, die Gegenstand gründlicher Untersuchungen sein
müßte, gezogen werden.
II. Das rein Wesensgemäße
des Geistes ist in der widerspruchslosen Verwirklichung aller Stu-
fen und Teilinhalte der Ausgliederungsordnung nach Maßgabe der