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so die schwache Verarbeitung: U n f l e i ß , F l a u h e i t , T r ä g -
h e i t , S c h l ä f r i g k e i t . Fleiß ist Leben, Trägheit ist Tod. Und
an die Stelle der Geistesstärke tritt dann überall die innere Schwäche.
Im besonderen bietet sich aber ein wesentlich verschiedenes
Bild, je nachdem die Eingebung selber wieder schwach ist oder
stark.
3.
Starke Eingebung bei schwacher Verarbeitung
wollen wir nur grundsätzlich kennzeichnen. Sie bietet den Anblick
der „ungenutzten Begabung“, oder gar des „verlotterten Genies“.
Der Geistesgeschichte sind ja solche Gestalten nicht unbekannt.
Reinhold Lenz, Brentano, Werner dürfen wohl als Beispiele ge-
nannt werden. Noch mehr zeigt die Erfahrung des Lebens wohl
jedem Menschen viele solche Beispiele. Die Ausbildung und Nut-
zung einer Begabung stellt nämlich an denjenigen, der sie erhält,
keine geringen Anforderungen. Man darf ohne Übertreibung sagen,
daß ein wesentlicher Teil des Aufschwunges großer Kulturen darauf
beruht, daß sie durch richtige Erziehung und Eingliederung der
hochbegabten Menschen in die Gemeinschaften die gründliche Ent-
faltung ihrer Begabungen erreichten.
Die einzelnen Stufen eigens auf das zwiespältige Verhältnis hin,
das hier entsteht, zu kennzeichnen, ist wohl überflüssig. Hervorzu-
heben ist nur, daß hier ein Widerspruch entsteht. Der Begabte,
der seine Fähigkeiten nicht planmäßig nutzt, stetig und vielseitig
ausbildet, wird sie doch dazwischen anwenden — und dann ent-
stehen jene Eigenbröteleien, Liebhabereien, Sondertümeleien, Un-
ausgegorenheiten, von denen die Geschichte wie das Leben voll ist:
Sammler aller Arten, Schriftsteller, die nur einmal hervortreten
und einem absonderlichen, ausgefallenen Gedanken nachhängen,
Plänemacher, Abenteurer und dergleichen mehr.
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4.
Schwache Eingebung und schwache Verarbeitung
Verhältnismäßig einfach ist das Bild, das sich bei schwacher Ein-
gebung und schwacher Verarbeitung ergibt. Wenn ein Mensch, um es
mit einer allgemeinen Redewendung auch nur allgemein auszu-
drücken, „unbegabt und faul“ ist, bietet er einen traurigen An-
blick dar. Der Glaubensschwache und auch nicht Glaubenseifrige;
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