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Körper der deutschen Nation. Wer aber möchte über den Verlust eines

Armes sich damit trösten, er habe doch seine Hemden um 40 Prozent

wohlfeiler eingekauft?“

1

Der Freihandel bleibt, insofern es nur eine Erziehung der Kräfte

gilt, auch bei List in gewisser Weise das letzte Ziel. Aber damit das

Freihandelssystem natürlich wirken könne, müssen erst die minder

vorgerückten Völker auf jene Stufe der gewerblichen Ausbildung

gehoben werden, die den überlegenen (damals England) schon eigen

ist. So s c h i e b t s i c h z w i s c h e n I n d i v i d u u m / u n d

M e n s c h h e i t d i e N a t i o n . Erst hier kann sich die Teilung

der Arbeit voll entfalten. „Diejenige Nation wird die meiste Pro-

duktivkraft besitzen, folglich die reichste sein, welche die Fabri-

kationskräfte nach allen Verzweigungen innerhalb ihres Territo-

riums zur höchsten Vollkommenheit ausgebildet hat und deren

Territorium und landwirtschaftliche Produktion groß genug ist,

um ihre Fabrikbevölkerung mit dem größten Teil der ihr erforder-

lichen Lebensrnittel und Rohstoffe zu versehen.“ — Damit spricht

List einen V o r r a n g d e s B i n n e n m a r k t e s vor dem Welt-

markte und das Streben nach möglichster S e l b s t v e r s o r g u n g

aus.

List gibt demnach bei seiner Begründung des Zollschutzes den theo-

retischen Kern der Freihandelslehre bloß in dem bedingten Sinne zu,

daß Freihandel erst als Ergebnis zöllnerischer Entwicklung, und nur

zwischen Ländern wirtschaftlich gleicher Stufe gelte, da nur dann ein

Wettkampf mit gleichen Kräften möglich sei; dagegen inmitten über-

legener Industriestaaten ein Ackerbaustaat niemals ein Großgewerbe ent-

wickeln könne. Andererseits ist es durchaus nicht der Fall, daß nur

einzelne Völker, z. B. Engländer und Franzosen, zur großgewerblichen

Tätigkeit vorherbestimmt seien. Vielmehr ist jedes Volk dazu befähigt,

sobald es den notwendigen Überschuß an Kapital und Bevölkerung er-

zeugt hat. — Daraus folgt für List, daß der gleiche handelspolitische

Grundsatz nicht allen Zeiten und Völkern angemessen sei. So kommt

List zu einer Lehre von den Wirtschaftsstufen, die bei ihm aber weniger

rein theoretische und geschichtliche als wirtschaftspolitische Bedeutung

hat.

List unterscheidet (übrigens nicht ganz einheitlich): 1. Wilder Zu-

stand (Jägerstand), 2. Hirtenleben, 3. Ackerbaustaat, 4. Agrikultur-

Manufaktur-Staat, 5. Agrikultur-Manufaktur-Handelsstaat. Dieser letz-

tere ist das Ideal, ist der vollkommene Wirtschaftsstaat, in dem „Tausch

von einheimischen Manufakturprodukten gegen einheimische Agrikultur-

produkte“ stattfindet. Die verschiedenen Stufen erfordern je eine andere

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Friedrich List: Das nationale System der politischen Ökonomie,

Basel-Tübingen 1959, S. 154.