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Handelspolitik. Den ersten dreien ist der Freihandel angemessen. Denn
dieser bedeutet für die primitiven Stadien sowie für den reinen Acker-
baustaat, dessen Bevölkerung dünn ist und dessen Kapitalien gering
sind, den vorteilhaften Eintausch von gewerblichen Gütern. Hat aber
der Ackerbau den nötigen Kapital- und Bevölkerungsüberschuß erzeugt,
dann kann die Anlegung jenes Kapitals, die Beschäftigung jener Be-
völkerung erfolgen, das heißt eine Industrie erzogen werden. Ist dann
nach längerer Wirksamkeit des Schutzsystems die Stufe des vollendeten
Wirtschaftsstaates erreicht, so sind besondere Schutzmaßregeln über-
flüssig. Das letzte Ziel ist wieder der Freihandel, den übrigens List an
vielen Stellen auch dann nur als b e d i n g t zulässig erklärt. Auf der
Agrikultur-Manufaktur-Stufe stehend erklärte List damals Deutschland
und Nordamerika, auf der letzten Stufe England und Frankreich.
Deutschland bedarf zum Übergang in die letzte Stufe eines ausgedehnten
Gebietes, weshalb List die E r w e i t e r u n g d e s Z o l l v e r e i n e s b i s
a n d i e M e e r e s k ü s t e n i m S ü d e n u n d / N o r d e n , eine
deutsche
Seemacht und Navigationsakte forderte. Lists politisches Ziel ging aber
noch weiter. Er erträumte ein Deutsches Reich, das von Dünkirchen bis
Riga und von der Nordsee bis zur Adria reicht.
Mit der Entwicklungstheorie im Zusammenhange steht Lists Bevöl-
kerungslehre. Nach ihm hat jede Wirtschaftsordnung ihre eigene Fas-
sungskraft für Bevölkerung, die sogenannte Bevölkerungskapazität —
je höher der wirtschaftliche Zustand, um so höher die Bevölkerungs-
kapazität. Mit diesem Beweisgrund, und weil Landwirtschaft und In-
dustrie unabsehbare technische Fortschritte zu machen vermögen, wendet
sich List g e g e n die Malthusische Übervölkerungstheorie. „Wenn in
einer Nation“, sagt er im „Nationalen System“, „die Bevölkerung höher
steigt als die Produktion an Lebensmitteln, wenn die Kapitale sich am
Ende so anhäufen, daß sie in der Nation kein Unterkommen mehr
finden... so ist dies nur ein Beweis, daß die Natur nicht mehr haben
will, daß Industrie, Zivilisation, Reichtum und Macht einer einzigen
Nation ausschließlich zuteil werden und daß ein großer Teil der kultur-
fähigen Erde nur von Tieren bewohnt sei...“ In den „Kleineren Schrif-
ten“ heißt es: „Jede Nation, die in unseren Tagen nicht wächst, muß un-
tergehen, weil alle anderen Nationen von Tag zu Tag wachsen.“
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2.
Zur B e u r t e i l u n g L i s t s ; i n s b e s o n d e r e d i e L e h r e
v o n F r e i h a n d e l u n d S c h u t z z o l l
Ein Urteil über Lists Lehre gewinnen wir, wenn wie Freihandel
und Schutzzoll einander gegenüberstellen. Bestechend erscheint das
Ideal des Freihandels: eine übervölkische Arbeitsteilung, die be-
wirkt, daß die Waren stets an jenen Orten erzeugt werden, welche
die besten Bedingungen dafür bieten, so daß die Herstellung am
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Friedrich List: Kleinere Schriften, herausgegeben von Friedrich Lenz,
Jena 1926, S. 521 (= Die Herdflamme, Bd 10).