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Die Freihandelslehre ist eine dürre Konstruktion, die von den Gütern

als von rechnerischen G e g e b e n h e i t e n ausgeht (List nannte das

richtig „Theorie der Werte“) statt von ihrem Werden in Gegenseitigkeit.

— Die Freihandelslehre ist ferner theoretisch nur möglich, wenn man den

Weltmarkt als „Verkehr“, als Zusammentreffen vieler einzelner Wirt-

schafter ansieht. Erkennt man aber, daß die Volkswirtschaften in Wahr-

heit arteigene U n t e r g a n z h e i t e n der Weltwirtschaft sind, dann

kommt ihnen auch ein ihr g l i e d h a f t e s E i g e n l e b e n s i c h e r n -

d e r S c h u t z grundsätzlich zu, wie denn überhaupt die höhere Ganzheit

keineswegs die niedere aufzehrt, sie vielmehr notwendig fordert!

Ich habe im „Fundament“ das Lehrstück des Schutzzolls als bloßen

S o n d e r f a l l e i n e s w e i t e r e n L e h r b e g r i f f e s , d e s „ K a -

p i t a l s h ö h e r e r O r d n u n g “ entwickelt, wodurch alle derartigen

Schwierigkeiten wegfallen

1

.

Im besonderen ist auch die Behauptung der Freihändler unhaltbar,

daß unter zwei tauschenden Völkern beide denselben Gewinn haben. Die

verschiedene Kapitalkraft, mit der die einzelnen Völker arbeiten, wird

immer eine große Verschiedenheit des Gewinnes bedingen, indem der

kapitalkräftigere im natürlichen Vorteil bleibt; und wie die Größe des

Handelsgewinnes auf beiden Seiten verschieden ist, so auch der Grad

der Abhängigkeit, in dem sich die einzelnen Völker voneinander be-

finden

(Bruno

Hildebrand).

/

S c h w ä c h e n d e r L i s t s c h e n L e h r e liegen unseres Er-

achtens: in der Stufentheorie, im Zentralismus und zum Teil auch

im Erziehungsgedanken. Die Stufenlehre ist geschichtlich wie theo-

retisch unrichtig

2

. — Zentralistisch ist Lists Lehre, sofern sie ein

einheitliches Wirtschaftsgebiet, ohne alle inneren Verschiedenheiten,

vorsieht. Wie in der Weltwirtschaft müssen aber unseres Erachtens

auch im Innern jedes großen Wirtschaftsgebietes nach dem Grund-

satze der nur verhältnismäßigen Leistungsfähigkeit

3

Unterganzhei-

ten unterschieden und dadurch die örtlichen Wirtschaftskräfte ent-

wickelt werden. — Daß endlich nach genügender Erziehung der

Übergang zum Freihandel erfolgen könne, steht mit dem tiefsten

Gedanken Lists, mit der Gegenseitigkeit, in Widerspruch

4

. Es bildet

sich ja im Laufe der großgewerblichen Entwicklung überall eine

S t u f e n l e i t e r von Unternehmungen und Geschäftszweigen ver-

schiedener Leistungsfähigkeit (durch die Verschiedenheit der Ge-

1

Vgl. mein Buch: Fundament der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl.,

Jena 1929, S. 328 ff. und öfter, und unten S. 220.

2

Vgl. oben S. 4.

3

Siehe oben S. 139, unten S. 178; Tote und lebendige Wissenschaft,

4. Aufl., Jena 1935, S. 149.

4

Siehe oben S. 150 f. das Beispiel vom Bergwerk.