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schäftsbedingungen verursacht), von denen die schlecht gestellten nur

durch den Zoll lebensfähig sind. Darum würden bei Auflassung des

Zolles schwächere Gruppen einfach dem Untergange preisgegeben

und dadurch das auf G e g e n s e i t i g k e i t beruhende Gebäude der

Wirtschaffstätigkeiten gefährdet werden. Daher ist der Übergang

vom Schutzzoll zum Freihandel grundsätzlich unmöglich. Überdies

würde der Freihandel nicht selten auch die kräftigeren Großgewerbe

schweren Kämpfen entgegenführen. Im zwischenstaatlichen Wett-

bewerb haben nicht die Unternehmungen mit den besten Natur-

bedingungen, sondern meistens die kapitalreichsten den endlichen

Vorteil, und so können die mit bedeutenden Opfern großgezoge-

nen einheimischen Produktivkräfte der Zerstörung ausgeliefert

werden.

a.

Der von den heutigen F r e i h ä n d l e r n am meisten betonte

Einwand gegen den Schutzzoll ist, daß er eine dauernde Festlegung

verhältnismäßig unfruchtbarer Kapitalien und Arbeitskräfte, in

„ T r e i b h a u s i n d u s t r i e n “ , auf Kosten der ertragreichen

Zweige des Gewerbes bewirke (Lujo Brentano).

Diese Schwierigkeit löst sich aber unseres Erachtens durch den

Erziehungsgedanken allein nicht völlig. Sie löst sich in eine Frage

nach dem Gelingen des Zolles, nach der Richtigkeit des Zollsatzes

auf. / Daß es g e l u n g e n e u n d m i ß l u n g e n e Z ö l l e gibt,

bildet also mitnichten einen Widerspruch zur echten Lehre. Der

Z o l l s o l l e i n i n l ä n d i s c h e s G e w e r b e i m V e r h ä l t -

n i s s e r i c h t i g e r G l i e d h a f t i g k e i t s c h ü t z e n , nicht

aber überzüchten, noch ihm unverdiente Gewinne in den Schoß

werfen. Die Grundgedanken der Entwicklung produktiver Kräfte

und ihrer Erziehung durch den Zoll, sowie der Gegenseitigkeit als

ihrer Lebensbedingung sind das Wesentliche. Und diese beiden Ge-

danken gehören in dem Maß zum dauernden Bestand der Volks-

wirtschaftslehre, als diese sich von atomistischem Denken befreit,

nicht beim jeweilig Gegebenen stehenbleibt, sondern auf die da-

hinter liegenden lebendigen Zusammenhänge zurückgeht. Im Lichte

Lists erscheint Smiths und Ricardos so vielberufene, rein mechanisch

vergleichende P r e i s - u n d K o s t e n v e r g l e i c h s l e h r e (Bei-

spiel von Tuch und Wein in Portugal

1

) dürftig, ja geradezu platt.

1

Siehe oben S. 101 und 111 f.