

228
[255/256]
der Herzensarme und auch nicht Gemeinschaftsbeflissene, Stumpfe;
der Ungelehrige und auch um Wissen wenig Beflissene (oder, wenn
beflissen, eklektisch und unlogisch); der Unmusische und auch nicht
Musenfreundliche (oder, wenn befreundet, naturalistisch und stil-
mengend, auch ästhetenhaft, leer, nachahmend); der unbegeisterte
und auch nicht sein Ziel energisch verfolgende Mensch — er ist es
ja, der uns allerorten begegnet und überall den Grundstock zur trä-
gen Masse bildet.
Während der kalte Eifer doch immer noch das Bild des nicht
Befriedigten und nicht Fertigen zeigt und noch die Möglichkeit
der Eingebung offen läßt, ist das Trostlose an unseren Bildern: die
Sattheit. Sie erst gibt überall der inneren Armut jene feste Grund-
lage, die sie zur Plattheit, Spießbürgerlichkeit auf jeder Ebene des
Geistes und darum gewissermaßen unüberwindlich macht. Denn
mit der Sattheit, welche die Dummheit gründet, kämpfen Götter
selbst vergebens.
Diese Menschen finden ihre Entschädigung meistens in einer mehr
oder weniger mäßigen Sinnlichkeit. „Der Sinnlichkeit ist jeder-
mann teilhaftig, der Vernunft aber nur ein geringer Teil“, sagt
Platon im Timaios (51a).
Tritt auf dem Gebiete der äußeren und inneren Sinnlichkeit
sowie des Instinktes zur Eingebungsschwäche noch die Schwäche
der Verarbeitung hinzu, dann ist nicht nur dem höheren geistigen
Leben die Grundlage entzogen (denn ohne starke sinnliche Grund-
lage können die höheren Vermögen schwer wirken); / sondern es
ist auch die letzte Schichte des Lebens bedroht. Hier geht der Zu-
stand des Menschen immer mehr von Plattheit und Spießbürger-
lichkeit in allgemeine Stumpfheit, Geistes- und Körperschwäche,
schließlich in Blödsinn über.
III. Erhöhte Zustände und Verkehrungen des Geistes
Alle jene Zustände, die wir bisher als Minderungen des Wesens
oder Steigerungen zum Wesensgemäßen kennzeichneten, sind Ge-
genstand alltäglicher Erfahrung. Trotzdem vermag sie die alte See-
lenlehre mit ihren Begriffsmitteln nicht verständlich zu machen.
Begreiflich, denn von „Vorstellung, Gefühl und Wille“ aus läßt