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Ebenso beweisen es alle jene Fälle, welche z. B. als ein inneres

„Sich-Anmelden“ in Gefahr und Tod, durch A h n u n g e n , halb

unbewußte Antriebe, innere Bilder geschehen. Von jenen Zustän-

den, in welchen die Ferne und Geschiedenheit der Seelen wie aufge-

hoben ist, künden uns die Dichter als von wirklichen Erlebnissen (No-

valis). Hier mag es freilich unbestimmt sein, wieweit tatsächliche

Erhöhungen des Gezweiungsbewußtseins damit verbunden waren.

Im Gezweiungsbewußtsein bedarf es aber solcher außerordent-

licher Formen nicht sonderlich. Schon die gewöhnliche Gezweiung

offenbart, wenn man sie recht überdenkt, eine so ungeheure Voll-

kommenheit des Menschen und eine solche Macht des Ineinander-

Seins und -Aufgehens, daß ohne den I n n i g k e i t s r a u s c h , der

mit ihr unaufhörlich verbunden ist, kein entwickelteres seelisches

Leben möglich wäre.

/

In der Geschichte der W i s s e n s c h a f t e n w i e d e r K ü n -

s t e ist die entscheidende Rolle hoher Eingebungen bekannt. Wir

haben ihrer wiederholt gedacht

1

. Das Überwältigende zeigen z. B.

die erhaltenen Berichte von der Erleuchtung des Archimedes,

der nackt durch die Straßen von Syrakus läuft, nachdem er den

Grundgedanken des spezifischen Gewichtes gefunden hat, und

schreit: Heureka, heureka! Palästrina war der Überzeugung, manch-

mal vorsingenden Engeln nachgeschrieben zu haben. Händel erklärt,

nicht zu wissen, ob er sich bei der Schöpfung des „Alleluja“ seines

„Messias“ in oder außer dem Leibe befunden habe. Bei Michel-

angelo, Grünewald, Bach, Mozart ist das Verzückte und Über-

weltliche ihrer inneren Vorbilder handgreiflich. Die mittelalter-

lichen Dome sind Kinder frommer Eingebungen, die sich den gei-

stigen ebenbürtig zur Seite stellen.

Auch im W o l l e n u n d H a n d e l n sind Eingebungsgrund-

lagen (sie stammen, wie erinnerlich, aus anderen Stufen), welche die

gewöhnliche Begeisterung übersteigen, bekannt. Was Schiller in der

Jungfrau von Orleans schildert, was Tieck geschichtstreu von den

Camisarden im „Aufstand in den Cevennen“ berichtet, ließe sich

durch vieles andere, z. B. aus den Kreuzzügen vermehren. Die frei-

willige Aufopferung ist eine das rein sachliche Handeln gewiß

wesensgemäß übersteigende Tat. Sie begegnet aber nicht nur in

1

Siehe oben S. 6o ff. und 85 ff.